Archiv der Kategorie: (a)(r)(t)ALLGEMEIN

Mit dem echten Martin Warnke auf Tour …

Am 28.3.2018 lud die Denkerei um Bazon Brock zu einem Architekturspaziergang mit Martin Warnke ein. Warnke, der Kunstgeschichte auch in Berlin studierte, 1963 von Hans Kauffmann an der FU mit der Dissertation „Kommentare zu Rubens“ promoviert wurde und im Anschluss ein Volontariat an den Berliner Museen leistete, hatte zur damaligen Zeit in Berlin keinen „Impuls, Architektur zu schauen“. Das wolle er nun nachholen und zu seiner These ausführen, dass entgegen den architektonischen Entwicklungen in Hamburg, Frankfurt und München in der Berliner Baugeschichte ein Grundthema auszumachen sei, dass nämlich, wo immer sich ein 20er Jahre Bau befände, davor, daneben oder gegenüber in den 30er Jahren ein Gegenbau gesetzt worden wäre.

Erste Station des Spaziergangs durch Berlins bauliche Oppositionen war das expressionistische „Haus des Rundfunks“ an der Masurenallee, das von Hans Pelzig entworfen und zwischen 1929 bis 1931 gebaut wurde, und zwar in unmittelbare Nähe des Berliner Funkturms, der wenige Jahre zuvor (1924-1926) als Stahlfachwerkturm errichtet wurde. Warnke interessierte weniger der Grundriss des an zwei Seiten abgerundeten Dreiecks, sondern, dass hier bauarchitektonisch und kunstpolitisch vom Kleinformatigen und Kleinteiligen her gedacht würde, das sich dann in einem Ganzen formiere. Treppengeländer, Klinker, Pilaster, Pfeiler und Fassade seien auf Details konzentriert und würden für den Betrachter bzw. Besucher einen angenehmen Eindruck vermitteln.

Mit dem echten Martin Warnke auf Tour … weiterlesen

Bildpolitiken humanitärer Katastrophen einkreisen …

Zu Christian von Borries und Dieter Lesages „Bild der Rettung | Rettung des Bildes“ am Berliner Hebbel am Ufer.

Am Anfang, so wird das Setting erzählt, stand das Bild der Rettung:

Christian von Borries, Schweizer Musiker und Filmemacher,  nahm 2016 an einer Such- und Rettungsaktion (SAR) auf einem zivilen Rettungsschiff vor der Küste Libyens teil. Den mittlerweile perfiden europäischen Mythos des Mittelmeeres als einem romantischen Raum, so von Borries, erlebte er zusätzlich verfremdet, schockte ihn doch die dominierende, aufdringliche, penetrante Bildproduktion der auf dem Rettungsschiff anwesenden Medienteams des französischen und deutschen Fernsehens, von BBC und CNN.

© Christian von Borries, Dieter Lesage 2018.

Bildpolitiken humanitärer Katastrophen einkreisen … weiterlesen

„Don’t use facebook, Google, YouTube and Credit cards!“ Manuel Castells in Berlin

Geben Sie nie Ihre Daten ab und nehmen Sie nicht an diesem Leben teil – empfahl Manuel Castells (katalanischer Soziologe, Professor Emeritus für Soziologie und Stadt- und Regionalplanung an der University of California, Berkeley, wo er nach eigenen Aussagen 50% seiner Lebenszeit verbringt, die anderen Zeit lebt er in Barcelona und arbeitet an der dortigen Offenen Universität Katalonien UOC) seinem Publikum in Berlin, der Stadt, die laut Kastells, zu den führenden Städten der europäischen Erneuerungsprozesse und der kulturellen Einflüsse gehört.

Castells hielt hier am 12.12.2017 auf Einladung des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) im Berliner Kino International einen Vortrag und eröffnete damit eine Redereihe zur digitalen Gesellschaft, die das HIIG gemeinsam mit der Bundeszentrale für für politische Bildung (bpb) konzipiert hat und im nächsten Jahr mit weiteren RednerInnen wie Christoph Neuberger (30.1.2018) und José van Dijck fortgesetzt wird, um insbesondere, wie es die Forschungsdirektorin des HIIG Jeanette Hofmann in ihren Eröffnungsworten formulierte, europäische Denker und Denkerinnen zu digitalen Prozessen zu Wort kommen zu lassen – eine These, die Castells am Ende des Abends implodieren lässt, indem er dazu ausführt, dass kein Europa existiere. Der Brexit sei der Beginn des Zerfalls, es gäbe keine europäische Identität, lediglich eine desintegrative Lage ohne Solidaritätsmechanismen, eine Xenophobie und eine Kluft zwischen technologischen und moralischen Fähigkeiten – aber es würden auch zwei Gemeinsamkeiten existieren: erstens, dass die Vergangenheit von Kämpfen geprägt sei und dass zweitens das Internet genutzt würde.

„Don’t use facebook, Google, YouTube and Credit cards!“ Manuel Castells in Berlin weiterlesen

Koloniale Gegenwarten. Zu Milo Raus Kongo-Tribunal

Die Eingangssequenz des Filmes zeigt eine sattgrüne, üppige, wunderschön geomorphologisch geschwungene Hochebene aus der Vogelperspektive, ungeschnitten aufgenommen als extremely long shot (Panorama), wie sie ein Touristikwerbevideo nicht besser hätte in Szene setzen können. Mit dieser Master Szene, die gleichzeitig als Übersichtseinstellung (establishing shot) dient und in die alle weiteren Szenen hineingeschnitten sind, ist der Handlungsrahmen des Filmes und der Grundkonflikt des Gesamtprojektes „Das Kongo Tribunal“ benannt:

Wie ist es möglich, dass die Demokratische Republik Kongo, die zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt gehört (Diamanten, Gold, Kupfer, Mangan, Blei, Zink und Zinn) und mit ihren Coltan-, Wolframit und Kassiterit-Vorkommen, die für die Produktion eines nahezu jeden elektronischen Gerätes benötigt werden und daher im Ostkongo seit etwa 20 Jahren zu einem Boom, manche schreiben sogar von einem Goldrausch, führten, zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, das im Demokratieindex von 2014  auf Platz 162 von 167 lag und im Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen 2016  auf Platz 135 von 188? 7 Millionen Toten werden seit 1996 geschätzt, die Rede ist von jahrzehntelanger Ausbeutung, Korruption und Bürgerkriegen, Importwirtschaft, Staatsverschuldung, vernachlässigter Infrastruktur, mangelnder Informations- und Pressefreiheit… Der Mapping-Report der Vereinten Nationen zählte zwischen 1993 und 2003 über 600 Menschenrechtsverletzungen im Kongo, dazu zählten Massaker, systematische Tötungen und Genozide.

Spiegelung der Diskussionsteilnehmer im Anschluss an die Filmvorführung am 18.11.2017 an der Berliner Schaubühne.

Koloniale Gegenwarten. Zu Milo Raus Kongo-Tribunal weiterlesen

Reisenotizen zu Klang-Land-(Raum)schaften

Sonntag, 19. November 2017, 20 Uhr, Berliner Sopiensäle. „Der Einlass hat begonnen!“ Kopfhörer werden verteilt, man könne ihn sich einfach überziehen, Lautstärke reguliere sich von selbst. Der große Saal ist zergliedert, MDF-Platten, knapp 3 Meter hoch, knapp 1 Meter breit, sind an Aluminiumrahmen im U-Profil geschraubt. Kabinen, Sperrungen, Unterteilungen bilden sich, locker im Saal verteilt, in unterschiedlichen Figurationen. Auf einigen Aluminiumprofilen sind Smartphones angebracht. Die etwa 50 Besucher (Zuschauer/Zuhörer) tragen ihre Kopfhörer und streifen durch den Raum, erkunden ihn.

Reisenotizen zu Klang-Land-(Raum)schaften weiterlesen

Durch die Kunstgeschichte auf dem Ku’damm…

… große Meister, große Werke, große Männer, große Preise, große Labels, große Wertschöpfung, großer Glanz, große Erzählungen, große Bedeutungen, große Geschichten, große Wichtigkeit …

Durch die Kunstgeschichte auf dem Ku’damm… weiterlesen

Das Reenactment eines Enactments: Der Sturm auf den Reichstag 2017

Teil 2 des Gastspiels Milo Raus in Berlin startete am 7. November 2017 um 15 Uhr auf der Wiese vor dem Bundestag.

Nachdem vom 3. bis 5.11.2017 in der Berliner Schaubühne das „erste Weltparlament der Menschheitsgeschichte“ tagte, 70 Abgeordente aus 20 Ländern zu Kriegen, Sanktionen, Migration, Drohnen, Klimaschäden, Grenzregimen, Landgrabbing, Korruption, Genoziden, Kolonialfolgen, Überwachungssoftware, Gedächtnispolitiken, Naturparks, Freihandel, genveränderten Maissorten und Antinatalismus vortrugen und über 15 Anträge abstimmten, die Teil der „Charta für das 21. Jahrhundert“ werden sollen, sollte am 7. November 2017, 100 Jahre nach der Einnahme des Winterpalasts, Sitz der russischen Zaren in St. Petersburg, der „Sturm auf den Reichstag“ stattfinden.

Das Reenactment eines Enactments: Der Sturm auf den Reichstag 2017 weiterlesen

Die Dramatik kam im 5. Akt. Zu Milo Raus General Assembly an der Berliner Schaubühne

An den bekanntermaßen historisch ereignisreichen ersten Novembertagen (2007, 1989, 1974, 1938, 1923, 1918, 1917) fand in diesem Jahr an der Berliner Schaubühne am 3., 4. und 5. November 2017 die Gründungsveranstaltung des selbstinstituierten „ersten Weltparlaments der Menschheitsgeschichte“ statt.

Ausgangsmotiv für dessen Gründung war die Beobachtung, dass es neben den Lokalparlamenten auf globaler Ebene keine demokratischen Strukturen gebe, die den Weltmarkt regulieren, völkerrechtliche Verstöße sanktionieren oder ökologische Entwicklungen kanalisieren können. Diese „Leerstelle“, so der Initiator und Regisseur dieser Veranstaltung Milo Rau, müsse dringend gefüllt werden, um soziale, ökologische, technologische, kulturelle Fragen zu erörtern und mit politischen Entscheidungen zu koppeln. „Demokratie für alle und alles“, hiess somit auch einer der Untertitel der „General Assembly“, die, um die Ausstrahlungskraft des Unternehmens zu verdeutlichen und zu verstärken, an fünf weitere Orte, in das Brüsseler Théâtre National Wallonie, das Hamburger Thalia Theater, auf das Münchener SPIELART Festival, in das Pariser Théâtre Nanterre-Amandiers und in das Nationaltheater Gent (dessen Direktion Rau ab der nächsten Spielzeit übernehmen wird) per Livestream übertragen wurde.

Die Dramatik kam im 5. Akt. Zu Milo Raus General Assembly an der Berliner Schaubühne weiterlesen

Berechtigte Angst vor Bildern

Am Abend des 15.10.2017 – drei Tage vor dem 30. Jahrestag der sogenannten Todesnacht von Stammheim  – strahlte die ARD in ihrem laufenden Programm den Tatort „Der rote Schatten“ aus. Der vom SWR produzierte Beitrag in der Regie von Dominik Graf spielt in Stuttgart, Ermittlerduo Lannert und Bootz (Richy Müller und Felix Klare) werden mit einer scheinbaren Beziehungstat konfrontiert, die sich zunächst zu einer innerfilmischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und dann zu einer medialen Auseinandersetzung in BILD, Spiegel Online und FAZ ausweitet.

Der Plot ist gerade aufgrund der wiederholten Verstrickungen von V-Leuten und staatlichen Behörden wie im Fall von Benno Ohnesorg , des NSU und jüngst von Anis Amri  brisant (ein seit den 1970er Jahren für den Verfassungsschutz gegen die RAF agierender V-Mann wird bis heute von Polizeibehörden und Staatsanwaltschaft trotz dringenden Mordverdachts geschützt), soll an dieser Stelle nicht interessieren.


Quelle: Bundesarchiv, Plak 006-001-058 / Grafiker: unbekannt >> .

Berechtigte Angst vor Bildern weiterlesen

The Medium is the Montage!

Wie sich wohl die Passionsgeschichte einer Frau, in Bewegtbildern, kombiniert mit Kammer- und Vokalmusik aus dem 15. und dem 21. Jahrhundert, in einem umgenutzten Kirchenbau auswirken mag? Wie wohl die anwesenden – musikalischen, filmischen und architektonischen – Künste sich inmitten von mächtiger Religionsgeschichte behaupten können? Und wie wohl die verschiedenen Künste in ihren medialen Verfasstheiten unter- und miteinander agieren?

Diese Fragen standen nicht am Anfang des 1. ForumKonzertes des Rias Kammerchores Berlin am 20.10.2017, sondern entfalteten sich im Verlauf des Abends, als sich eine (inhaltliche, architektonische, künstlerische, religiöse, kunsthistorische …) Dimension nach der anderen zeigte:


© Tim Bartholomäus, 2017.

The Medium is the Montage! weiterlesen

Die Räumung der Volksbühne

Am 28.9.2017 wurde nachmittags auf Wunsch des Intendanten der Volksbühne Chris Dercon die Räumung der besetzten Volksbühne durch die Polizei Berlin vorgenommen.

Informationen zum Verlauf der sieben tägigen Besetzung

Presseschau Stand 28.9.2017

Die Räumung der Volksbühne weiterlesen

Die selbsternannte Besetzung der Volksbühne

Parallel zur Bundestagswahl 2017 und dem Berlin Marathon hat am Freitagnachmittag, 22.9.2017, die Aktivistengruppe „Staub zu Glitzer“ das Gebäude der Berliner Volksbühne, nach Eigenaussagen, besetzt.

Die selbsternannte Besetzung der Volksbühne weiterlesen

Ein gescheiterter documenta-De-Kolonialisierungs-Versuch

Der folgende Text ist im Konjunktiv II verfasst.

Es hätte sich, wie programmatisch von dem künstlerischen Leiter der documenta 14 Adam Szymczyk (gemeinsam mit weiteren 15 Kuratoren geplant und) im Oktober 2014 in der Kunsthochschule Kassel angekündigt wurde, um eine kuratorische Variante der Dekolonialisierung von neokolonialen und neoliberalen Haltungen, von Kunstgroßausstellungen und damit des Kunstbetriebs, von etablierter Kunstgeschichte, künstlerischen Themen, bevorzugten Formaten und Medien, Institutionen und Gewissheiten, uniformen Erzählungen und universalen Definitionen handeln können, …

Parlament der Körper, Fridericianum.

Ein gescheiterter documenta-De-Kolonialisierungs-Versuch weiterlesen

Ortsspezifische Klangarchitekturen in progress

1610 publizierte Monteverdi seine „Vespro della Beata Vergine“ (Marienvesper) gemeinsam mit der „Missa in illo tempore“ unter dem Titel „Sanctissimae Virgini Missa…“, in deutschsprachiger Übersetzung: „Messe der Heiligsten Jungfrau zu sechs Stimmen für Kirchchöre und Vesper für mehrere Stimmen mit einigen geistlichen Gesängen für Kapellen oder Fürstengemächer geeignet“, und widmete sie Papst Paul V.

2017 trifft Justin Doyle für sein Antrittskonzert als Chefdirigent und künstlerischer Leiter des RIAS Kammerchor Berlin im Rahmen des Musikfests Berlin drei grundlegende Entscheidungen:

© Matthias Heyde, 2017.

Ortsspezifische Klangarchitekturen in progress weiterlesen

Was war eigentlich modern gewesen? Monteverdi, Scharoun und Gardiner

Vorbemerkung:
Was als Konzertbesuch begann, mündete nach drei Monteverdi-Opern in der Berliner Philharmonie,  aufgeführt im Rahmen des Musikfests Berlin 2017,  in einen kunstwissenschaftlichen Kurzessay. Denn die Begegnung von Monteverdi-Komposition, Scharoun-Architektur und Gardiner-Musikproduktion setzte aufgrund der Anhäufungen und Verschaltungen von Asymmetrien in Musikgeschichte, Aufführungspraxis und Architektur Gedanken in Gang, die um den Begriff des Modernen kreisten. Scharoun triggerte bzw. katalysierte in Regie von Sir Gardiner Spezifika von Monteverdi, so dass von einer In-situ-Inszenierung mit übergreifenden Erkenntnisgewinnen die Rede sein kann. Daher:

Was war eigentlich modern gewesen?

Die Menge der Vielzahl an Bedeutungen von ‚modern‘ erschwert es, eine eindeutige Antwort auf die Frage zu formulieren, was eigentlich ‚modern‘ war:
Für das Adjektiv hat jüngst noch einmal Klaus Bartels die in diesen Begriff eingebaute Differenz herausgestellt: Das lateinische ‚modernus‘ (neu, neuzeitlich, gegenwärtig) stammt vom lateinischen Adverb ‚modo‘ (eben, jetzt, eben gerade, eben erst, kurz zuvor, kurz hiernach), das an eine Geste des Abstands zwischen Daumen und Zeigefinder geknüpft war, hinzu kommt die Doppelbedeutung des lateinischen ‚modus‘ als Maß und Art und Weise. Modern war zunächst nichts anderes als die Abgrenzung zum überlieferten Alten. Der Begriff transportiert also automatisch einen Referenzbegriff, wie es etwa auch die Begriffe White Cube, Umwelt oder Kontext praktizieren.

Was war eigentlich modern gewesen? Monteverdi, Scharoun und Gardiner weiterlesen

Eine Übung des Vertrauens. Zu Adrian Pipers „The Probable Trust Registry“

„Ich werde immer zu teuer sein, um gekauft zu werden.“ „Ich werde immer meinen, was ich sage.“ „Ich werde immer das tun, was ich sage.“ Der Vertrag ergänzt: „(Eintritt höherer Gewalt ausgenommen)“. Könnten und/oder würden Sie diese drei Axiome, im Futur I verfasst, unterzeichen und damit eine Vertragsverpflichtung mit sich selbst eingehen (können), künftig „immer zu teuer sein, um gekauf zu werden“, immer zu „meinen, was ich sage“ und immer das zu „tun, was ich sage“? Das Futur I – im Englischen heißt es im Vertrag „I will…“ und setzt damit das Future Simple für Vorhersagen, Versprechungen und spontane Entscheidungen ein – weist Sie darauf hin, dass der Sachverhalt zum Sprechzeitpunkt schon aktuell ist. Ein Kalkül, das es in sich hat: Ein spontanes Versprechen in Form eines Axioms, also eines beweislos vorausgesetzten Satzes, der zum Redezeitpunkt, besser zur schriftlichen Vertragsunterzeichnung schon aktuell ist und mit der Vertragsunterzeichnung fortan für immer selbstverpflichtend wirkt.

Diese Selbstverpflichtungen abverlangte, besser gesagt ermöglichte die US-amerikanische Konzeptkünstlerin und analytische Philosophin Adrian Piper, die 1981 bei John Rawls promoviert wurde und zuvor an der Uni Heidelberg zu Kant und Hegel forschte, den BesucherInnen des Berliner Hamburger Bahnhofs in diesem Sommer. Zuvor wurde sie 2015 für diese Arbeit, die bereits 2013 in New York zu sehen war, auf der Biennale in Venedig im Arsenale mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. In der historischen Lichthalle des Museums waren nun für gut sechs Monate in klarer Formensprache drei identische, goldfarben runde Empfangstresen zentriert vor drei deckenhohen, grauen Wänden plaziert, die sich nach an der Form der gebogenen Eisenträger orientierten. An der Wand hinter dem jeweiligen Tresen war in goldfarbenen Buchstaben ein einzeiliger Wandtext angebracht, bei dem es sich um eben einen dieser drei Axiome handelte. Je ein/e Rezeptionist/in hinter dem Tresen, dunkel und seriös gekleidet, meist jugendlichen Alters und temporär für die Dauer der Ausstellung beim Hamburger Bahnhof angestellt, stand für Nachfragen, Gespräche und die Aushändigung des unterzeichneten Vertrags auf Papier zur Verfügung. Auf dem Tresen ermöglichte ein Screen, den Vor- und Nachnamen einzugeben, eine digitale Unterschrift zu leisten und qua Berührung mit dem resistiven Touchscreen die Vertragsbindung einzugehen, die durch einen Drucker hinter dem Tresen sofort als zweiseitiges Papier ausgehändigt wurde. Neben dem Tresen hielt ein aufgestelltes Stehpult ein Papier, das die BesucherInnen auf deutsch und englisch über die 11 „Handlungsanweisungen“ bzw. „Spielregeln“ aufklärte, und zwar, dass alle UnterzeichnerInnen des Vertrags nach Ende der Ausstellung ein Verzeichnis der alphabetisch geordneteten Nachnamen aller UnterzeichnerInnen desselben Vertrags zugesandt bekämen, eine Kontaktaufnahme dann untereinander möglich wäre, indem die Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin kontaktiert würde, die nach der Einwilligung zur Adressweitergabe die Daten weitergebe. Das Verzeichnis selbst würde für 100 Jahre nach Ende der Ausstellung für die Öffentlichkeit unzugänglich aufgewahrt.

Eine Übung des Vertrauens. Zu Adrian Pipers „The Probable Trust Registry“ weiterlesen

Stören! Alain Badiou zu „Flüchtlingskrise“, Politikerneuerung und Theater

Als „ehemaliger Maoist und politischer Aktivist“ wurde Alain Badiou in Berlin angekündigt, als „Verfechter der Idee des Kommunismus“, auch als Philosoph, Mathematiker und Romancier, dem Theater und der Inszenierungspraxis zugetan.

Im Format eines Interviews traf Badiou am 4.2.2016 im Berliner Gorki-Theater in der vom Wiener Passagen Verlag veranstalteten Reihe Passagen Gespräche auf seinen Verleger und Herausgeber Peter Engelmann und die erste Frage zielte auf die aktuellen Ereignisse.

2016_AlainBadiou

Badiou klärte seine Sicht der Dinge: Vor der sog. Flüchtlingskrise hätte es eine Krise im Nahen Osten gegeben, deren Verantwortung bei den verursachenden westlichen Staaten liege: bei den Vereinigten Staaten von Amerika für die Zerstörung des Irak und bei Frankreich für die Zerstörung von Libyen. Die EU müsse nun darlegen, ob es eine Politik der Regelung der Ursachen gebe, wenn nicht, dann müssen die Flüchtlinge akzeptiert werden – denn Menschen gehen dorthin, wo sie leben können. Wenn die Ursachen nicht behoben würden, so Badiou, müssten die Wirkungen akzeptiert werden. Angst sei zudem nie ein guter Ratgeber, ein Einschließen in die eigene Identität führte bisher immer zum Desaster.

Stören! Alain Badiou zu „Flüchtlingskrise“, Politikerneuerung und Theater weiterlesen

Was ist Kritik?, Teil x+2

Nachdem Ende Januar Jean-Luc Nancy mit seinem Vortrag „Unser Zeitalter ist nicht mehr das eigentliche Zeitalter der Kritik” das Symposium „Was ist Kritik?“ eröffnete und hier einen weiten Blick auf unser Zeitalter, auf Schnittmengen zwischen Kritik, Krise, Kriterien und Kunst warf, folgte nun am 6. und 7.2.2016 Teil zwei des Symposiums, bevor sich Teil 3 Anfang April im IFCAR (Institute for Contemporary Research) an der Zürcher Hochschule der Künste anschließen wird, wo insbesondere künstlerische Praktiken im Fokus des Interesses stehen werden.

Teil zwei ließ KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen und auf unterschiedlichem Niveau und Verdichtungsgrad zu Wort kommen:

2016_nbk_SchwarzeFlaechen

Marcus Steinweg sprach am Samstag aus philosophischer Perspektive über die Kritik, Kritik der Kritik und deren Charakteristika, Alenka Zupancic aus philosophisch-psychoanalytischer Perspektive über die Verbindung von Kritik, Psychoanalyse und Realität (Kritik als Weigerung, aus dem Traum der Alternativen aufzuwachen), Thomas Hirschhorn über die Kritik in seiner aktuellen künstlerischen Arbeit „Pixel-Collage“ („Es gibt nur die kopflose Entscheidung, ohne Grund, keine Kriterien.“), Eva Illouz aus soziologischer Perspektive über Kritik und dem von Objektivitäten eines ökonomischen, politischen, sozialen Raumes durchsetzten Subjekts, den genau wir zu verstehen hätten, um überhaupt kritisieren zu können. Elena Esposito sprach am Sonntag aus soziologischer Perspektive über die historische Entwicklung von Kritik mit Einführung des Buchdrucks und deren Kriterien (rational, nicht neutral, mit Blindheit ausgestattet, zirkulär, selbstreflexiv, normativ, allerdings mache eine normative Haltung Kritik wiederum schwierig), Sabeth Buchmann aus kunsthistorisch-kritischer Perspektive über Formen der Kunstkritik seit Diderot, es folgten die Schriftstellerin Ann Cotten über Literatur und Kritik sowie abschließend, am Ende eines kompakten Wochenendes und in Anwesenheit von etwa 300 (am Samstag) bzw. etwa 150 (am Sonntag) Interessierten ein Gespräch zwischen Maxim Biller und Claudius Seidl, Feuilletonchef der FAS, über Kritik als Show und Ware. Selbst ein sog. „Stauraum“ im hinteren Bereich der Räume des n.b.k., in den die Vorträge per Livestream übertragen wurden, war Samstag gut gefüllt. Und wenngleich die vielen schwarzen Flächen verteilt an den weißen Wänden und weißen Decken einen akustischen Zweck zu erfüllen hatten, verhinderten sie nicht, unweigerlich an die schwarzen Malewitsch-Vierecke zu denken, die als Ikone der Moderne gelten. Gemeinsam mit ihrer Markierung des Raumes als Kunstraum und gleichzeitig mit der Farbwahl als Signet für Dokumentarisches und Authentisches riefen sie zusammen mit dem signifikanten Titel der Veranstaltung wie auch mit dem großen Besucherinteresse die (unbedingt zu kritisierende) Hoffnung hervor, hier könne „etwas“ (was?) entstehen.

Was ist Kritik?, Teil x+2 weiterlesen

Was der Völkermord in Ruanda mit Beethoven zu tun hat

Wir? Mitleid? Mit den aus Syrien Fliehenden? Mit im Mittelmeer Ertrinkenden? Mit Toten durch Selbstmordanschläge in Afghanistan oder dem Irak? Mit Opfern von Massakern in Ruanda (1994) oder Srebrenica (1995)? Mit Hungertoten in der eingekesselten Stadt Madaja (2016)? Wir? Die wir Maschinengewehre liefern, mit denen getötet wird? Die wir Arbeitskraft und Bodenschätze ausbeuten, Müll und Erderwärmung hinterlassen? Die wir Schutzsuchende auf dem Seeweg nach Europa nicht auf die Fähren oder Kreuzfahrtschiffe nehmen, sondern in fahruntüchtigen Booten ihrem Schicksal überlassen?

Um zu dieser Bruchstelle im Text zu gelangen, lässt Autor und Regisseur Milo Rau in seinem Stück „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“ an der Berliner Schaubühne die Schauspielerin Ursina Lardi zunächst eine lange Stunde über „ihr“ Engagement in der NGO „Teachers in conflict“ im Kongo erzählen, zeitgleich zu dem Völkermord in Ruanda zwischen April und Juli 1994: über ihre Versuche, mit Workshops, Friedenserziehung und Tanzkursen die Kriegsparteien zu befrieden; über vergewaltigte und gepfählte Frauen, die ihr Leben seither ohne Unterleib leben müssen; über Beethovens 7., mit der sie die Schreie der Massakrierten zu überdecken versuchte; über ihre auch finanziellen Engagements, vom Tod Bedrohte zu retten; über Dîners in der Schweizer Botschaft in Bujumbura und sie langweilende Gesprächspartner; über tägliche Regenschauer und nächtlich quakende Frösche, über die Absurdität der Namen der etwa Tausend aktiven NGO’s (Heal Africa, Konvoi der Hoffnung) und über ihre direkte Zeugenschaft eines Blutbads in einem Flüchtlingslager für aus Ruada geflohene Hutu-Täter, indem sie in sicherem Abstand als „Weiße auf dem Feldherrenhügel“ Richard Strauss‘, durch Nietzsche inspirierte Alpensinfonie imaginierte und bei Maschinengewehrsalven eine genugtuende Freude empfand.

Theaterstück von Milo Rau, Aufführung an der SCHAUBÜHNE/ Berlin/Januar 2016Theaterstück von Milo Rau, Schaubühne Berlin, Jan. 2016. Foto: Daniel Seiffert

Was der Völkermord in Ruanda mit Beethoven zu tun hat weiterlesen

Lehrstück der Hagiographie

Die Philosophie sei mit der De-Heroisierung entstanden, als die Götter gegangen seien. Nun werden die Philosophen als Götter präsentiert.

Die Anmoderation des Gesprächs von Alain Badiou und Jean-Luc Nancy durch Alexander García Düttmann stellte es als bemerkenswert heraus: Nicht in der Philosophie oder in einer philosophischen Fakultät würde diese erste Begegnung beider französischer Philosophen stattfinden, sondern mit der UdK an einer Kunstakademie – zu ergänzen ist: initiiert durch das an der Fakultät Bildende Kunst situierte Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik.

AlainBadiou+Jean-LucNancy

Im Rahmen der zwei-tägigen Konferenz „Badiou and The Presence of Philosophy. Crossing the French-German Border“ am 29. und 30.1.2016 fand am Abend des ersten Konferenztages die Begegnung beider Philosophen statt, die im Konferenzprogramm als „Debatte“ angekündigt wurde, aber damit dann doch mehr über die Initiatoren und über die „French-German Border“ aussagte: Badiou, Jhg. 1937, Prof. em. für Philosophie der Universität Paris VIIIund Nancy, Jhg. 1940. Prof. em. für Philosophie der Université Marc Bloch Straßburg, verwoben sich in einen feinsinnigen, geistreichen, humorvollen und wortgewandten Dialog auf französisch, ohne sich ihre Differenzen zu nehmen, ganz im Gegenteil: Ihr Gespräch fiel inhaltlich nicht wenig konträr aus, stieß aber bei beiden auf Wohlwollen, Großzügigkeit und Neugierde am Anderen. Ein Paradebeispiel, wie „différance“ konstitutiv und integrativ statt hemmend und erschwerend stattfindet.

Lehrstück der Hagiographie weiterlesen

Was ist Kritik?, Teil x+1

Mit dem Titel „Was ist Kritik?“ schließt das Internationale Symposium, das am 28.1.2016 mit einem Vortrag des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy im Berliner HAU startete, an prominente Vorläufer an:

Zunächst an Michel Foucaults Vortrag 1978 vor der Société française de philosophie, in dem Foucault die noch heute gängige Definition in Frageform vorschlägt: „Wie ist es möglich, dass man nicht derartig, im Namen dieser Prinzipien da, zu solchen Zwecken und mit solchen Verfahren regiert wird – dass man nicht so und nicht dafür und nicht von denen da regiert wird?“ (Foucault 1992, S. 11f.) Und weiter: „[…] schlage ich also die allgemeine Charakterisierung vor: die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden.“ (Ebd., S. 12) Seinen Vortrag setzte Foucault 1983 mit der Vorlesung „Was ist Aufklärung?“ fort, da sich bereits in seinem Vortrag zur Kritik abzeichnete, dass er einer „Verschickung“ des Unternehmens Aufklärung in das Projekt Kritik auf die Spur kam (S. 41) und zitierte mit dem Titel Kants Essay „Was ist Aufklärung?“ aus dem Jahr 1784, dessen Titel sich schon Kant aus Textvorläufern lieh.

2016_HAU_Nancy

Nun also greift ein Internationales Symposium die Frage auf und will ihr in drei Einzelterminen auf den Grund gehen: mit Nancys Eingangsvortrag, mit einem Symposium am 6.2. und 7.2.2016 im Berliner n.b.k., sowie am 1. und 2.4.2016 im IFCAR (Institute for Contemporary Research) an der Zürcher Hochschule der Künste.

Was ist Kritik?, Teil x+1 weiterlesen

Bewegt Euch!

Nachdem in den bisherigen 23 Jahren der Intendanz Frank Castorfs die produktionsästhetische Ebene erprobt und die Multimedialität der Inszenierungen experimentell auf der Volksbühne (Liveperformance, Video, Bühne, Sound, Licht) ausdifferenziert wird, scheinen Castorf/Neumann ihre aktuelle Inszenierung der Brüder Karamasow nun auf das Rezeptionsverhalten ihres Publikums auszurichten und sowohl die ästhetische Erfahrung (1) als auch den theoretisierenden Umgang (2) herauszufordern.

Nach „Dämonen“, „Erniedrigte und Beleidigte“, „Der Idiot“, „Schuld und Sühne“ und „Der Spieler“ hat die Berliner Volksbühne Dostojewskis letztes großes Werk, geschrieben zwischen 1878 und 1880, in der Inszenierung von Frank Castorf auf die Bühne von Bert Neumann gebracht: Vier Brüder im Kampf um und mit ihrem Vater Fjodor, eine Geschichte um den Mord an dem Vater als ein erzählerisches Geflecht aus Schuld, Moral, Religion und Religionsgeschichte, Psyche, Familienaufstellung, Politik, Geschlecht, Glaube, Erziehung, Bildung, Emanzipation und Kultur. (Inhaltliche Ausdeutungen hier und hier, Szenenbilder hier).

BruederKaramasow2b

Diese Geschichte wird im Haus der Volksbühne in sich an- und ineinander anschließenden Räumen inszeniert: in einer für das Publikum blick-unzugänglichen Sauna mit dampfendem Edelstahlrohr und anderen Holzverschlägen, im Esszimmer eines Jagdhauses in der weiten Tiefe der Bühne, in das das Publikum in der Ferne durch die Fenster einsehen kann, in einem russisch-orthodoxen Gebetsraum, der sich irgendwo im Haus der Volksbühne befindet, in einem Gartenpavillon, der beinahe als einziger „Raum“ mit direkten Blicken zugänglich ist, davor ein Wassergraben, den alle Schauspieler durchqueren (müssen), ein Wohncontainer im Rücken des Publikums, dessen zwei Etagen mit einer Feuertreppe verbunden sind, die eindringlich metallische Geräusche erzeugt, wenn die Schauspieler hoch- und runterlaufen, runter- und hochlaufen, deren Innenleben aber wie das der uneinsichtigen Sauna oder des Gebetsraumes oder der vielen Gänge neben der Bühne, auf dem Dach oder im Keller durch live gestreamte Videobilder auf einer großen, schräg auf der Bühne installierten Leinwand zu sehen sind. Die Bühne selbst, die zum Teil auch vom Publikum besetzt ist, ist größtenteils leer, denn sie löst sich in einen, mit schwarzer Folie ausgelegten Längsraum durch den Saal auf, in dem Bewegung, Geschwindigkeit, Tempo gemacht werden können. Überall und immerzu befinden sich alle in einem dauerhaften Transit und in permanenter Mobilität und Überstürzung – außer dem Publikum.

Bewegt Euch! weiterlesen

Statt „furios sperrig“* galaesk smart – Vorschläge zum 27. Jubiläum von Texte zur Kunst

Irgendwann im Laufe des frühen Abends, zu Beginn von Teil 3 der „Gala Conference“, fragte ich mich, wie wohl René Pollesch das 25. Jubiläum von Texte zur Kunst inszeniert hätte und mit welchen inszenatorischen Mitteln ihm die unfreiwillige Situationskomik des Finales auf der Bühne des Berliner Festspielhauses gelungen wäre. Spätestens da war meine Verwunderung über den dominierend affirmativen Umgang der eingeladenen ReferentInnen mit der Geste einer Selbstermächtigung „des Kanons“ durch die GastgeberInnen („The Canon“, so das Thema der 100. Jubiliäumsausgabe) auf eine Beobachtung der inszenatorischen Mittel dieses Nachmittagabends (von 14 bis 19:45 Uhr) am 27. November 2015 verschoben.

TexteZurKunst25_TheCanon

Pollesch hätte die Kunstprofessorin Michaela Meise am Akkordeon mit einer deutschsprachigen Übersetzung eines Mikis-Theodorakis-Songs über Arbeitslosigkeit nicht melancholischer auf die Bühne bringen können. Er hätte auch den Conferencier des Abends in ein Glittersakko gesteckt (großartig in der Rolle des Fließbandmoderators Andreas Beyer, Professor für Kunstgeschichte in Basel) und er hätte auch versuchen können, Dirk von Lowtzow, Sänger bei Tocotronic und redaktionelles Beiratsmitglied von TzK, die Rolle eines sentimental smarten Singersongwriters abzuringen. Selbst das zumeist jugendliche Publikum performierte sich als Volksbühnenpublikum, das sich unisono verlachte, als sei die Performance des störrischen, unangepassten, spröden Poems „Words are people“ von Karl Holmqvist Comedy. Und am Ende stand ein Gruppenbild aller Akteure der Konferenz: „Lets dance together here on stage in 2 hours… Please be back after a break“, rief Isabelle Graw, Herausgeberin und Autorin von TzK, in den gefüllten, komplett verdunkelten Saal. Vermutlich hätte Pollesch nur die Öffnung des großen Saales im Berliner Festspielhaus um 14 Uhr mit MadonnasCelebration“ als endless loop offensiv als Karaoke oder als Polonaise aller Beteiligten inszeniert: „Come join the party, yeah, Coz‘ everybody just won’t do. Let’s get this started, yeah, Coz‘ everybody wants to party with you.“ Vielleicht hätte er auch für die GastgeberInnen eine Loge im Stil eines Foucaultschen Panoptikons (wie Ende 2014 die „Liebeslaube“ von Gregor Schneider im Rang der Volksbühne) bauen lassen, in der die Geburtstagsgrüße (unsichtbar) in Empfang hätten genommen werden können. Gleich mehrfach lagen die legendär gehauchten „Happy Birthday“-Grüße, wenn auch ironisch gebrochen, in der Luft…

Statt „furios sperrig“* galaesk smart – Vorschläge zum 27. Jubiläum von Texte zur Kunst weiterlesen