1950 beschrieb Hannah Arendt die Eindrücke ihres ersten Nachkriegsbesuches von Deutschland in ihrem Essay „Besuch in Deutschland. Die Nachwirkungen des Naziregimes“: Die Verwandlung von Tatsachen in Meinungen sei wohl der erschreckendste Aspekt einer deutschen Realitätsflucht, hier insbesondere die Haltung, „mit Tatsachen so umzugehen, als handle es sich um bloße Meinungen“. Eine Hinterlassenschaft des Naziregimes sei, so Arendt, „die Realität nicht mehr als Gesamtsumme harter, unausweichlicher Fakten wahrzunehmen, sondern als Konglomerat ständig wechselnder Ereignisse“.
Diese Verantwortungsflucht, dieses Empathievakuum, diese Erinnerungs- oder auch Moralleerstelle, kurz diese „Gleichgültigkeit“ und „Apathie“ (Hannah Arendt) mögen seither und zwar bis heute ursächlich für diejenigen Geschehnisse sein, die die Regisseurin, Schauspielerin und Politikwissenschaftlerin Christiane Mudra recherchiert, montiert und in einen szenischen Text überführt hat und dessen nüchtern-klarer Titel „Kein Kläger. NS-Juristen und ihre Nachkriegskarrieren“ unzweifelhaft die Stoßrichtung vorgibt.
Das Unbehagen der Geschichte(n), künstlerisch-investigativ er- und vermittelt weiterlesen