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Immer Theater mit der Kunstfreiheit

Der Dramaturg und Intendant Matthias Lilienthal formulierte 2010 in der Akademie der Künste, für ihn sei Theater, wenn Menschen davorstünden und glaubten, es sei Theater. Friedman im Gespräch mit Barrie Kosky und Christian Schertz zum Thema Kunstfreiheit lässt das Dargebotene in diesem Sinn auch als ein Theaterstück einordnen.

Am 13.06.2024 wurde Friedman im Gespräch mit Barrie Kosky und Christian Schertz zum Thema Kunstfreiheit im Großen Haus des Berliner Ensembles uraufgeführt. Bei diesem Stück sitzt der Gastgeber Michel Friedman (gespielt von Michel Friedman) in der Mitte der Bühne auf einem Sesselstuhl und ist als Einziger frontal zum Publikum ausgerichtet. Die beiden Gesprächspartner, Christian Schertz in der Rolle des Medienanwalts Christian Schertz und Barrie Kosky in der Rolle des Opern- und Theaterregisseurs sowie ehemaligen Intendanten der Berliner Komischen Oper Barrie Kosky, sitzen im rechten Winkel zu ihm und richten ihren Blick dadurch zumeist vom Publikum abgewendet in Richtung Friedman aus. Am Ende des knapp 90-minütigen Einakters erheben sich die drei Darsteller und stehen dem Publikum zugewandt zwischen den Sesselstühlen und der Bühnenrampe. Das Publikum applaudiert. Kosky und Scherz stehen für diesen Applaus auf gleicher Höhe wenige Schritte vor der Rampe, Friedman etwas dahinter zwischen ihnen. Näherungsweise verneigen sich Kosky und Schertz, Friedman breitet seine Arme aus. Fragen oder Anmerkungen aus dem Publikum sind in einem One-to-many-Format nicht eingeplant. Ob es weitere Aufführungen geben wird, ist nicht bekannt. Soweit zum theatralen Setting dieses prozessualen Theaterstücks und der hier aufgerufenen Theaternomenklatur.

Auch wenn, wie in diesem Rahmen zu erwarten war, nicht alle aktuellen Fragen um das Thema Kunstfreiheit thematisiert oder sogar beantwortet wurden, war der Abend ein interessanter Auftakt, ein paar blinde Flecke deutscher Gegenwartsauseinandersetzungen anzugehen bzw. den medial und politisch dargebotenen Ver(w)irrungen im- und explizit etwas zu entgegnen. Fortsetzungen sind daher auch in anderer Personenkonstellation erwünscht. 

Einiges blieb dennoch unscharf oder auch unpräzise oder hatte – wie etwa die Passagen über geforderte Wortbereinigungen bei Pippi Langstrumpf oder Karl May – mit der Kunstfreiheit nicht direkt zu tun. Denn hierbei geht es um aus heutiger Sicht kritisierbare Textpassagen im Konflikt mit den Wünschen von zumeist Rechtsnachfolger:innen, ihre bisher bestehenden Auswertungsmaschinen fortbestehen zu lassen.

Zwar ist sowohl der Werkbereich als auch der Wirkbereich künstlerischen Schaffens durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt, wie das Bundesverfassungsgericht 2019 verdeutlichte (1 BvR 1738/16). Künstler:innen steht aber kein Recht zu, in einem bestimmten Medium, auf einem bestimmten Sendeplatz oder in einer bestimmten Ausstellung gezeigt, gehört oder präsentiert zu werden. Sollte den Rechteinhaber:innen die Bearbeitung eines historischen Werkes also missfallen oder sogar testamentarisch untersagt worden sein, darf das Werk dennoch in seiner bisherigen Form fortbestehen und auch dargeboten werden. Wenn aber zum Beispiel ein TV-Sender eine nicht überarbeitete Ausstrahlung ablehnt, können die Rechteinhaber:innen andere Verbreitungsformen für das Original suchen. Genauso wenig, wie die Verbreitung eines Kunstwerkes der bildenden Kunst im Rahmen einer bestimmten Ausstellung verlangt werden kann, haben Radio- und Fernsehsender das Recht, ihre Inhalte weitgehend selbst auszuwählen. Dies gewährleistet Art. 5 Abs. 1 GG. Die Kunstfreiheit wird hier genauso wenig eingeschränkt, wie Werke durch ihre Nichtberücksichtigung eingeschränkt worden sind, die zur Zeit der Entscheidung von Fernsehsendern für das Ausstrahlen von Pippi Langstrumpf, von Winnetou und Old Shatterhand nicht zum Zuge gekommen sind.

Christian Schertz plädierte entschieden für eine Trennung von Autor und Werk, wie er am Beispiel von Richard Wagner oder Michael Jackson und deren musikalischen Werken festzumachen suchte. Ein Rausschneiden einzelner Sequenzen wäre aus seiner Sicht in keiner künstlerischen Gattung angebracht, weder in bildenden oder darstellenden noch satirischen Kunstformen. 

Still wurde es im Saal, als Friedman überleitete: „Gut, dann sind wir bei der documenta, dann schauen wir uns das eine Bild an [Anm.: Gemeint war wohl das Bild People’s Justice von Taring Padi] …und dann schneide ich diese zwei, drei Teile raus?“ Schertz, der sich zu dem Bild an diesem Abend nicht final äußern wollte, weil er den documenta-Fall zu wenig kenne, fügte an, dass ein Rausschneiden für ihn nicht in Frage käme. Man hätte aber sagen müssen, dass dieses Bild nicht gezeigt würde. Ob man dann aber das Ganze abbauen und weghängen muss, weil es in Teilen bestimmte Bevölkerungsgruppen verletze, schätzte er im Sinne einer Bilderstürmerei als schwierig ein.

Barrie Kosky wies in diesem Zusammenhang auf die problematische, tief widersprüchliche und komplexe Geschichte Deutschlands mit den Juden und Jüdinnen hin. Das Thema würde ihn nicht nur bereits sein gesamtes Leben beschäftigen, sondern für ihn auch nie enden.

Er hätte das inkriminierte Bild vor Ort gesehen und sei, wie er formulierte, „ein bisschen unbequem“ damit. Wenn aber in Deutschland irgendetwas mit Kultur verboten werden soll, erfasse ihn immer „ein Zittern“. Wäre er documenta-Intendant gewesen, hätte er erstens vor allem kein schwarzes Tuch über das Bild gehängt und wäre er zweitens mit den Menschen in einen konstruktiven Dialog eingetreten. Es darf nicht heißen: „Du blöder, furchtbarer, indonesischer, muslimischer Künstler, geh zurück nach Jakarta, geh raus aus unserem Land.“ Geradezu lächerlich war für Kosky die Debatte, weil in Kassel parallel in einem Museum eine Porzellan-Figur, die eine antisemitische Repräsentation darstellt, völlig ohne Kontextualisierung gezeigt wurde und niemand darüber sprach.

Auf die Mohammed-Karikaturen angesprochen, wies Schertz darauf hin, dass Satire dann einschränkbar ist, wenn sie einen anderen Menschen in seiner Menschenwürde verletzt. Die Karikaturen waren demnach zulässig, weil sie keinen konkreten Menschen verletzt haben. Implizit trug Schertz damit auch eine Antwort auf die Frage bei, ob die Arbeit von Taring Padi auf dem Friedrichsplatz in Kassel von der Kunstfreiheit geschützt ist. Diese Einschätzung verstärkte Schertz über Bande noch einmal, als er darauf aufmerksam machte, dass die Kunst viel mehr als alle anderen dürfe, auch viel mehr als die Bild-Zeitung. 

Wenn nämlich Zeitungen das inkriminierte Bild abdruckten, um zur Berichterstattung über Zeitgeschehnisse beizutragen oder um zuweilen auch ihre Empörungen zu veranschaulichen, dann ließe sich ergänzen: Was im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit zu zeigen erlaubt ist, ist es im Rahmen der Kunstfreiheit allemal. 

Wo genau Christian Schertz, als einer der zwei Juristen in der Runde, die Grenzen für die Kunst sieht, wurde nicht ganz deutlich und ließ sich auch durch eine anschließende Nachfrage per Mail nicht aufklären. Zunächst merkte er an: „Die Kunstfreiheit wird begrenzt durch die Rechte des Individums, durch die Menschenwürde.“ Und etwas später: „Wenn ein Kunstwerk im Einzelfall aufgrund der konkreten Gestaltung entweder die Würde eines bestimmten Menschen verletzt, wo die Menschenwürde überwiegt oder auch Straftaten erfüllt sind, die etwa den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, dann darf es ausnahmsweise verboten werden.“ 

Empirisch mag dies so einzuordnen sein, wie verschiedene Verfahren in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gezeigt haben. Wie die Entscheidung zum Werk Esra von 2003 zeigt, sind gleichwohl auch hier wiederum enge Grenzen für die Menschenwürde zu berücksichtigen. Rechtsdogmatisch könnten aber wohl auch andere Verfassungsnormen, mindestens die Grundrechte in Konkurrenz zur Kunstfreiheit treten.

Boykott-Aufrufe gegenüber Künstler:innen, zum einen durch die BDS-Bewegung, zum anderen gegenüber in Russland lebenden oder aus Russland stammenden Künstler:innen, die sich nicht offen von etwas distanzieren oder für etwas aussprechen, sahen sowohl Kosky als auch Schertz problematisch. Kosky machte hier auf die besondere Rolle von Kunst aufmerksam. 

Auch wenn das Theaterstück in seiner Inszenierung unvollständige Passagen trug oder wie Kosky an anderer Stelle anmerkte, sich das Publikum vielleicht mit manchem unwohl oder unbequem fühlen könnte: Es war in dieser Zeit richtig, es zur Aufführung zu bringen. Vielleicht ließen sich künftig aber auch ein paar Fesseln des Theaters neu interpretieren.

https://www.berliner-ensemble.de/friedman

Stalk – Coding mit Serienreife

Stalk ist eine französische TV-Serie von Simon Bouisson und Jean-Charles Paugam, deren erste Staffel mit 10 Folgen in der ARD-Mediathek zu finden ist. Bisher gab es in diesem Blog keine TV-Kritiken, aber zu dieser Serie ist eine solche angebracht.

In der deutschen Fernsehlandschaft sind in den letzten Jahren einige Versuche unternommen worden, Digitalisierung, Hacking oder Coding in Filmbildern zu fassen, oft mit bescheidenem Erfolg, mitunter wirkten Drehbuch und Regie eher hilflos, wie etwa bei der Serie Hackerville um den rumänischen Jung-Hacker Cipi, die zu allem Überfluss auch noch mit einem Grimme-Preis bedacht wurde.

Das ist bei Stalk anders. 10 Folgen in einer Länge von je 23 min bringen nicht nur technische Details des Codings in den Handlungsablauf mit ein, die Serie schafft es auch, Bilder zu produzieren, die mit digitalen Welten und Digital-Ästhetik in Form zahlreichen Rear-Kamera-Aufnahmen eine bisher ungekannte Fernsehkompatibilität herstellt. Musik und auch Sound-Design sind genauso eng mit der qualitativ hochwertigen Umsetzung verknüpft, wie Drehbuch, Regie und das erfrischende Schauspiel der verschiedenen Akteure dieser Serie; allen voran die beiden Hauptfiguren Théo Fernandez in der Rolle des Hackers Lucas alias Lux und Carmen Kassovitz als die von mindestens zwei jungen Männern begehrte Kommilitonin Alma.

Lucas startet gerade sein Informatik-Studium und wird mit allen übrigen
Erstsemestern bei der Aufnahme durch Studierende höherer Semester mit der Zahl PI konfrontiert. Nacheinander sollen die Erstsemester eine weitere Ziffer nach dem Komma benennen. Lucas sagt nicht nur die nächste Zahl, er kann und setzt zunächst noch zögerlich, aber dann schier unendlich fort und beendet damit die Competition.
Ob sein anfängliches Zögern schon die Vorahnung war, dass Brillianz regelmäßig Gegner produziert, erfüllt sich dies in der Figur des Fachschaftssprechers Alex, gespielt von Pablo Cobo, der Lucas auf einen Stuhl gebannt inmitten der feiernden Menge und nach reichlich Alkohol auch noch sein Urinat zu trinken verpflichtet. Nicht genug der Demütigung filmt er das Ganze und stellt es online dem gesamten Campus zur Verfügung.


Lucas ist allerdings nicht nur mit der Zahl PI vertraut, sondern auch mit dem Coden und Hacken. Für ihn ist kein Problem, sich aus seinem schlichten Studenten-Zimmer im Wohnheim in Laptop und Smartphone seines Widersachers einzuhacken und über die integrierten Kameras in die Welt von Alex und vielen weiteren einzutauchen und einzuweben.

Stalken ist also Programm bei dieser herausragenden TV-Serie, die so auch hochaktuelle Themen wie pervasives Filmen und Fotografieren sowie die nahezu unbegrenzte Anwesenheit von Smartphones in allen Lebensbereichen verarbeitet.

https://fr.wikipedia.org/wiki/Stalk

Elon Musk, the law and Mars – UniBase#no.6173

2021 GeheimRat solicited comments from experts at the United Nations (OHCHR, UNCOPUOS, UNOOSA), the ETO Consortium, NASA, ROSCOSMOS, ESA, CNSA, and from the legal field as part of the funded conceptual art work UniBase#no.6173. The subject is the 2020 announcement that Elon Musk had hired SpaceX’s general counsel to draft a constitution for the planet Mars: „I’m actually working on a constitution for Mars. No country can claim sovereignty over heavenly bodies“ (David Anderman, former SpaceX General Counsel, 2020). Comments received were forwarded to the General Counsel, Vice President, COO, and SpaceX CEO Elon Musk, who were also asked for their assessments.

Fundamental to all activities in space, according to the comments received, are the Outer Space Treaty of 1967, the United Nations Charter, and international law. The claim of sovereignty, such as the installation of a constitution, by a single nation or by non-state legal entities (such as the SpaceX company) would consequently be unlawful (see Art. II, VI and VIII Outer Space Treaty). 

Incidentally, if one of the contracting states (currently 110) fears interference with the use and exploration of outer space and celestial bodies, it may request consultations on planned undertakings and experiments (Article IX Outer Space Treaty).


CONTACT:
artLABOR e.V.: press@artlabor.eyes2k.net  ph: +49.(0)3212.1031038 or 
GeheimRat.comstudio@GeheimRat.com  ph: +49.(0)3212.1031065
Download text and images [3,6MB]: https://download.GeheimRat.com/artL_PR_en_UniBase6173.pdf

Web: https://6173.GeheimRat.com

Elon Musk, das Recht und der Mars – UniBase#no.6173

2021 hat GeheimRat im Rahmen dieser geförderten Konzeptkunst-Arbeit
Expert:innen der Vereinten Nationen (OHCHR, UNCOPUOS, UNOOSA), des ETO-Konsortiums, von Weltraumagenturen und aus dem Rechtsbereich um Stellungnahmen gebeten. Gegenstand ist die 2020 bekannt gewordene Ankündigung, Elon Musk habe den Chefsyndikus von SpaceX beauftragt, eine Verfassung für den Planeten Mars zu entwerfen. Die eingegangenen Kommentare wurden an den Chefsyndikus, den Vizepräsidenten, den COO und an den CEO von SpaceX, Elon Musk weitergeleitet und auch diese wurden um ihre Einschätzungen gebeten.

Grundlegend für alle Aktivitäten im Weltraum sind den eingegangenen
Stellungnahmen zufolge der Weltraumvertrag von 1967, die Charta der
Vereinten Nationen
und das Völkerrecht. Die Beanspruchung von Hoheitsgewalt, wie etwa das Installieren einer Verfassung, durch eine einzelne Nation oder durch nichtstaatliche Rechtsträger (wie z.B. das Unternehmen SpaceX) wäre folglich rechtswidrig (siehe Art. II, VI und VIII Weltraumvertrag).

Befürchtet übrigens einer der Vertragsstaaten (aktuell 110)
Beeinträchtigungen der Nutzung und Erforschung des Weltraums und der
Himmelskörper, so kann er Konsultationen über geplante Unternehmungen und Experimente verlangen (Art. IX Weltraumvertrag).

KONTAKT:
artLABOR e.V.: press@artLABOR.eyes2k.net  ph: +49.(0)3212.1031038 oder 
GeheimRat.comstudio@GeheimRat.com  ph: +49.(0)3212.1031065
Download Text und Bilder: https://download.GeheimRat.com/artL_PR_de_UniBase6173.pdf

Web: https://6173.GeheimRat.com/de/

Zur Kunstperformance Hasskäppchen von Daniel Chluba

Der Berliner Aktions- und Performance-Künstler Daniel Chluba wurde im Rahmen des von Lukas Pusch initiierten Formats der Antist, Zeitschrift der Wiener Avantgarde zu einer Ausstellungsbeteiligung in der Knoll Galerie Wien, Gumpendorfer Str. 18, Vernissage am 08.November 2017, 19:00 Uhr eingeladen, um dokumentierendes Material seiner in Wien durchgeführten Performance Hasskäppchen auszustellen. Die Performance fand unter anderem am 7. Oktober 2017 auf dem Stephansplatz in Wien statt.

Gegen 11:00 wurde Chlubas Performance durch Polizeibeamte wegen eines vorgeblichen Verstoßes gegen das erst wenige Tage zuvor in Kraft getretetene Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz abgebrochen und der Künstler in sogenannter Vorhaft genommen. In einem offenen Brief hatte der artLABOR e.V. 2017 die Interessen von Daniel Chluba formuliert.

Drei Jahre später hat das Verfahren bemerkenswerte Wendungen durchlaufen, weshalb wir im November 2020 für Chluba nochmals ein Schreiben an das Verwaltungsgericht Wien sowie das Präsidium der Landespolizeidirektion Wien formuliert haben.

Sehr geehrte XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, 

mit Vollmacht vom 06.11.2020 (siehe S. 4) geben wir für Herrn Chluba die nachfolgenden Erklärungen ab. Aufgrund der aus unserer Sicht bemerkenswerten Abläufe und Vorkommnisse im Verfahren mit dem Geschäftszeichen VStV/0000000000/2017 halten wir es für gegeben, das Verwaltungsgericht Wien wie auch das Präsidium der Landes-polizeidirektion Wien über alle Erklärungen gleichermaßen zu informieren:

1. Fortgang des Verfahrens

Herr Chluba verzichtet auf Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 28.08.2020 (Eingang am 17.10.2020).

Die verfassungsrechtlichen Fragen, die wir in unserem Beschwerdeschreiben vom 14.12.2017 dargelegt und aufgeworfen haben, würden nach unserer Einschätzung und nach Rücksprache mit einem Verwaltungsrichter nicht thematisiert werden können. Es ginge allenfalls um die Fragen, ob eine Verfahrenseinstellung nach § 43 VwGVG oder ob die Versagung einer Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer verfassungsrechtlich in seinen Rechten einschränkt oder nicht. Beides sind für den Beschwerdeführer derzeit keine bedeutsam zu klärenden Fragen.  

Auch wenn es zu einer ähnlichen Rechtsauffassung gelangte wie die Beschwerdeführerseite, wäre beim entstandenen oder herbeigeführten Verfahrensstand selbst dem Verwaltungsgericht Wien die Möglichkeit einer Prüfvorlage beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof verstellt. Da die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen aus Sicht des Beschwerdeführers jedoch von einiger Bedeutung für gleichwertige Beurteilungen in unterschiedlichen Staaten der Europäischen Union sind und vor diesem Hintergrund auch die weiteren Einlassungen von Herrn Chluba verständlich werden, rufen wir den Beteiligten die verfassungsrechtlichen Fragen, die wir durch Vorlage beim Verfassungsgerichtshof zu prüfen beantragten, hier noch einmal in Erinnerung:

  1. Wie im Beschwerdeschreiben vom 14.12.2017 dargelegt, sehen wir in der ersatzweise Haftstrafe androhenden Regelung im Falle von Uneinbringlichkeit einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 1 des 4. Zusatzprotokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention, denn hierin ist ein Verbot der Freiheitsentziehung wegen Schulden verbrieft. Da Menschenrechte zunächst immer das Verhältnis zwischen Bürger:innen und Staat regeln, kann gesetzlich, so wie im konkreten Fall, keine Ausnahme für den Staat bestimmt werden, ohne damit gleichzeitig Art. 17 EMRK zu verletzen. 
  2. Wie im selben Schreiben dargelegt, machen wir in der ersatzweisen Haftandrohung in Höhe von 9 Tagen und 8 Stunden gegenüber der verhängten Geldstrafe in Höhe von € 100,-, abzüglich € 0,36 für 49 min. erlittener Vorhaft, insgesamt also € 99,64, eine Verletzung jeden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus.

2. Stichtag und seine Folgen

Zunächst festzuhalten ist, dass die Landespolizeidirektion Wien die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit § 43 Abs. 1 VwGVG begründet und das Verwaltungsgericht Wien dies als rechtmäßig bestätigt hat. 

Mit dieser rechtlichen Einordnung lässt sich nun aber auch ein Stichtag in den Blick nehmen, nämlich Freitag, der 15.03.2019. Denn das ist genau der Tag, an dem 15 Monate nach Einreichung der Beschwerde die Verjährung dieses Verfahrens einsetzte. Für die weiteren Verfahrensabläufe zeigt sich wohl XXXXXXXXXXXX verantwortlich, der, wenn unsere Recherchen es richtig einordnen, aufgrund langjähriger und verdienstvoller Tätigkeit für den Bundesstaat Österreich durch den Bundespräsidenten zudem als XXXXXXXX ausgezeichnet wurde. Wir können also davon ausgehen, dass auf Seiten der Landespolizeidirektion Wien kein Anfänger am Werk war, sondern jemand, der wusste, was er tat. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass XXXXXXXX aus langjähriger Erfahrung weiß, dass ein Verfahren 15 Monate nach Einreichen der Beschwerde ohne rechtskräftiges Urteil verjährt und, wie das Gericht folgekonsequent entschieden hat, eine möglicherweise bestehende Forderung damit uneinbringlich ist. Schauen wir uns also an, was die Landespolizeidirektion Wien nach dem Stichtag 15.03.2019 in Gang gesetzt hat: 

Mit Datum 28.11.2019, also mehr als 8 Monate nach Eintritt der Verjährung des Verfahrens, verschickt Herr XXXXXXXX einhergehend mit der Tatsachenbehauptung, dass der Bescheid nun vollstreckbar sei, eine Mahnung in Höhe von € 115,- an Herrn Chluba. Dies geht einher mit der Drohung, dass der Geldbetrag durch Exekution hereingebracht würde und im Fall der Uneinbringlichkeit durch Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt würde. Herrn Chluba wurde damit also nicht nur eine falsche Tatsachenbehauptung, die bei ihm zu einer Vermögensverfügung führen sollte, entgegengehalten, ihm wurde bei Uneinbringlichkeit zudem mit einem empfindlichen Übel, in Form einer Haftstrafe gedroht. 

Abgesehen vom unzeitgemäß befremdlichen und auch irreführenden Vokabular lässt sich bei dieser Mahnung, so wie Herr Chluba dies auch in seinem Schreiben vom 18.12.2019 formuliert hat, vielleicht noch von einem bedauerlichen Irrtum sprechen. Etwas anders stellt es sich bzgl. der nachfolgenden Entwicklungen dar, die dann schon annähernd 12 Monate nach Verjährung des Verfahrens in Gang gesetzt wurden und ihren Höhepunkt etwa 15 Monate nach der Verjährung erreichten. Aufgrund unserer Einlassungen vom 19.02.2020 hat das Verwaltungsgericht Wien mit seinem Schreiben vom 26.02.2020 an die Landespolizeidirektion darüber aufgeklärt, dass die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 14.12.2017 erstmalig durch Schreiben des Beschwerdeführers vom 19.02.2020 dem Gericht zur Kenntnis gelangte und fügte hinzu: „eine Vorlage durch die Behörde erfolgte bis dato nicht.“ 

Dem Schreiben des Verwaltungsgerichts Wien an die Landespolizeidirektion Wien war die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 14.12.2017 dabei angefügt.

Selbst wenn, wie später behauptet, die Beschwerde im Zuge des Verfahrens im Dezember 2017 oder etwas später nicht in die Akte gelangt sein sollte, dann musste die LPD Wien spätestens ab dem 26.02.2020 Herrn Chluba entlastet und sich selbst gleichermaßen erheblich belastet sehen. 

Dennoch erwirkte die Landespolizeidirektion Wien im Mai 2020 einen sofort vollstreckbaren Haftbefehl gegen Herrn Chluba und ließ am 02.06.2020 über das Berliner Finanzamt Prenzlauer Berg eine Vollstreckungsankündigung zustellen, in der ausdrücklich auf den durch die LPD Wien erwirkten Haftbefehl hingewiesen wurde. Erschwerend musste diese Drohung von Herrn Chluba empfunden werden, da bereits in der Mahnung vom 28.11.2019 nur die Möglichkeit der Zahlung eines Betrages von € 115,- als auflösende Handlung angeboten wurde.  

Es hat uns zwar nicht vollends überrascht, dass das Erfüllen wesentlicher Tatbestandsmerkmale des § 146 StGB durch die LPD Wien über die Begrenzung der Strafbarkeit mit § 7 Abs. 1 StGB gleich wieder aufgehoben wird, gleichwohl sehen wir im Verhalten der Landespolizeidirektion Wien mindestens Fahrlässigkeit, wenn nicht gar grobe Fahrlässigkeit erfüllt und erheben hiermit auch aufgrund des mithin doch sehr eigenwilligen Rechtsstaatsverständnisses der Behörde 

Dienstaufsichtsbeschwerden gegen 

1. den XXXXXXXXXXXXXXXX sowie 
2. die verantwortlich involvierten Mitarbeiter:innen der Landespolizeidirektion Wien.

3. Durchführung der Kunstperformance in Wien

Bereits zweimal wurde die Kunstperformance Hasskäppchen in rechtswidriger Anwendung des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes und mit Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit durch Polizeibeamte in Wien abgebrochen und Herrn Chluba damit auch die freie Ausübung seines Berufes als Performance-Künstler verwehrt.

Wir kündigen hiermit an, dass die Kunstperformance Hasskäppchen von Daniel Chluba erneut in Wien zur Aufführung gebracht werden wird und Herr Chluba einem nochmals rechtswidrigen Abbruch vorbereiteter begegnen wird, um ggf. die bereits in diesem Verfahren aufgeworfenen, aus unserer Sicht verfassungsrechtlich bedeutsamen Fragen tatsächlich zur Verhandlung zu bringen.

Wie in der Vollmacht ersichtlich, machen wir abschließend auf die geänderte Postanschrift von Herrn Chluba aufmerksam:  XXXXX Berlin 

Mit freundlichen Grüßen, 

erwin liedke [member of board, artLABOR e.V., Berlin]

ANHANG

  • Vollmacht für artLABOR e.V. vom 06.11.2020 – [1 Seite]

Siehe auch: Performance-Kunst versus Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz

Performance-Kunst versus Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz

Darf eine Kunstperformance, bei der im öffentlichen Raum eine rote, knielange Pudelmütze getragen wird, tatsächlich durch die Polizei aufgrund des in Österreich jüngst in Kraft getretenen Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes abgebrochen werden?

Am 11. Oktober 2017, gegen 11:00 Uhr, ist auf dem Wiener Stephansplatz jedenfalls genau das der Kunstperformance Hasskäppchen des Berliner Künstlers Daniel Chluba widerfahren.

Wir haben auf Chlubas Wunsch hin den folgenden offenen Brief für ihn verfasst und als Widerspruch an die Landespolizeidirektion Wien gerichtet:

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Jonathan Meese – kurzweilig und dogmatisch

Es ist gut, dass an diesem goldenen Herbst Sonntag-Mittag immer auch der Hauch des Hofnarren mitschwingt, wenn Jonathan Messe, begleitet von seiner Mutter und Ratgeberin, Brigitte Messe, sowie Intendant Thomas Oberender im Foyer des Berliner Festspielhauses mit Pressevertretern durch die von ihm errichteten Installationen wandelt, die seine Opernregie bei „Mond-Parsifal Beta 9-23″* flankieren. Unterstrichen wird seine Rollenbesetzung dabei durch zahlreiche Anleihen an eine Stand-Up Performance.
Wollte man diese Rollenzuschreibung nicht zugestehen, blieben allerdings inkonsistente Eindrücke zurück.


Jonathan Meese, Mutter Brigitte Meese sitzend links

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Devices of Effective Surveillance | Instrumente zur effektiven Überwachung

Die transmediale 2015 ist ein interessantes Beispiel dafür, dass Empörung und Verhaltensänderung nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben müssen. Möglicherweise ergibt sich aus Kritik und verbalisiertem Widerspruch gar eine System-Bestätigung denn eine Veränderung oder Modifizierung.

Oder muss man die folgende Beobachtung völlig anders einordnen?

Foto: © TransmedialeFoto: © Transmediale

Angesichts der Enthüllungen im Zshg. der Snowden-Dokumente seit Juni 2013 gibt es fast selbstverständlich im Programm der transmediale 2015 ein Panel mit dem Namen ‚Freedom of Information in Reverse‘. Vielleicht mag man es für ein Kunstfestival, dass sich auch aktuellen Fragen widmen möchte, etwas verspätet finden, aber immerhin. Auf dem Panel finden sich die US-Amerikanischen Whistle-Blower William Binney, Thomas Drake und Jesselyn Radack (ebenso Anwältin der beiden Erstgenannten) sowie die Wikileaks-Mitarbeiterin Sara Harrison und der Filmemacher James Spione ein. Hochkarätig besetzt also und somit kaum vorstellbar, dass nicht auch hier die von Binney und Drake als Zeugen im NSA-Untersuchungsausschuss festgestellte enge Zusammenarbeit von US-Unternehmen wie Microsoft, Facebook, Twitter, Verizon, AT&T, CSC und nicht zuletzt Google thematisiert werden dürfte. Wenn sich das Festival mit deren Einladung die Positionen der Gäste zwar nicht zu eigen macht, so lohnt doch ein Blick darauf, welchen Umgang das Festival mit verschiedenen, von dieser Diskussion berührten Fragen findet.

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Post-Prism

Man kann sagen, der Name war Programm bei der Diplom-Arbeit von Martin Wecke, die er 2014 im Fach Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin vorgelegt hat. Die Tools auf Post-Prism.net sind operationale Interventionen und bieten interessante technische Ansätze, die die bekannt gewordenen Überwachungs-Maßnahmen von Geheimdiensten aller Länder in gewisse Schranken weisen, zumindest das Erschweren von Überwachung ermöglichen können.

Auf der Ebene ‚Hollow‘ (zu deutsch: Höhle, Aussparung) geht es dabei um die Verarbeitung von Text, auf der Ebene ‚Compost‘ (zu deutsch: Kompost) um den Umgang mit Bildern. Auf einer dritten Ebene mit dem Namen ‚Public Space‘ (zu deutsch: Öffentlicher Raum) veranschaulicht der 1986 geborene Wecke schließlich, was nicht nur für Schnüffler in offenen Netzwerken sicht- und verwertbar wird, sondern inzwischen eines der verbreitetesten Geschäftsmodelle im Zusammenhang von kostenlosen, besser gesagt ohne unmittelbare Bezahlung nutzbaren Internet-Dienstleistungen sowie Smartphone-Apps darstellt: das umfassende Protokollieren von Nutzerdaten- und verhalten und der Verkauf solcher Informationen zur Optimierung von Geschäftsprozessen aller Art.
Denn tatsächlich sind der Kreativität der Auswertung bzw. auch der Zusammenführung unterschiedlichen Datenmaterials keine ersichtlichen Grenzen gesetzt. Oftmals durchaus mit fragwürdigen Schlussfolgerungen, denn im Zshg. von BigData geht es auch um ein neues Glaubensbekenntnis, das Prognostizieren von Nutzerverhalten anhand vorherigen Verhaltens zur Optimierung des eigenen Verhaltens. In Wirtschaftszusammenhängen geht es noch um Fragen, welche Werbung dem Nutzer auf von ihm besuchten Seiten angeboten wird, vielleicht sogar, in welcher Größenordnung Produktionen beauftragt oder Unternehmenressourcen eingesetzt werden. In perfider Form kann das bei Geheimdiensten heißen, dass etwa Profile von Staats- oder Glaubensfeinden erstellt und dann mit allen anderen abgeglichen werden. Zeigen sich Ähnlichkeiten – was dabei als Ähnlichkeiten aufzufassen ist und was nicht, hängt entscheidend von den Vorgaben des Suchenden ab – befinden sich Profil-Ähnliche im Visier von Überwachung und unter Umständen auch im vorbeugenden Gewahrsam. Was das in letzter Konsequenz bedeuten kann, zeigt im Falle der USA das Gefangenenlager Guantanamo Bay eindringlich.

Die Ebene ‚Public Space‘ der Arbeit Post-Prism jedenfalls vermag dem, der sich einmal in einem von Wecke gehackten Netzwerk aufhält, deutlich die von allen aktuellen Beteiligten des Netzwerkes ‚erarbeiteten‘ Daten zu offenbaren. Fast gespenstisch wird das auch noch als ein transparenter Layer im eigenen Browser-Fenster ansichtig. Die folgenden Schemata von Wecke zeigen die Funktionsweise des Zugriffs auf.

Tool3_PublicSpace-Funktion2  Tool3_PublicSpace-Funktion3

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Der Zauber-Photograph

Julius von Bismarck (Jahrgang 1983) studiert experimentelle Mediengestaltung in der Klasse von Joachim Sauter an der Universität der Künste Berlin. Und von Bismarck hat eine Rückwärts-Photographie-Maschine entwickelt, ein photographischer Hack auf eine allgegenwärtige Medienmaschinerie.
Nebenbei hat er seine Maschine als Patent angemeldet und gleich noch den Prix Ars Electronica 2008 in der Kategorie Interactive Art abgeräumt.

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artLABOR: Es ist ja ein durchaus hochtechnischer Bereich, in dem sich deine Arbeit ‚Image Fulgurator‘ bewegt. Kannst du uns den Prozess deiner Arbeit ein wenig näher bringen?

JvB: Oft habe ich die Inspiration aus der reinen Technik. Also ich belese mich über Technik oder ich bastel und habe dann technische Ideen, wo mir bewusst wird, dass man daraus etwas Künstlerisches machen koennte. Oder wo ein spezieller, neuer Effekt entsteht, der mehr als die Summe der Teile ist und wo ich versuche, diese künstlerisch zu verwerten. Und dann denke ich mir ein Konzept aus, was im Ausstellungskontext oder Stadtraum Sinn machen könnte.
Manchmal ist es aber auch so, dass ich von der anderen Seite herangehe, dass ich etwas künstlerisch spannend finde oder auch politisch oder medial mich ein Thema interessiert und ich dafür nach Techniken suche, die man benutzen könnte. Also es geht von beiden Seiten aus.

artLABOR: War dieser zweite Weg so einer, der jetzt zum Fulgurator geführt hat?

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‚Contergan-Film‘ – Hanseatisches Oberlandesgericht ändert Urteile des Landgerichts Hamburg weitgehend ab

Nachfolgend der Wortlaut der Pressemitteilung vom 10.04.2007 der Gerichtspressestelle des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Hamburg:

Der Pressesenat (7. Zivilsenat) des hanseatischen Oberlandesgerichts hat als zweite Instanz heute in vier einstweiligen Verfügungsverfahren zum so genannten ‚Contergan-Film‘ Urteile verkündet und diese mündlich – wie folgt – kurz begründet.

Firma Grünenthal GmbH
Der Senat hat in den Verfahren der Firma Grünenthal GmbH gegen die Zeitsprung Film u. TV Produktion GmbH bzw. den WDR (Aktenzeichen 7 U 141/06 und 7 U 143/06) die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg mit Ausnahme weniger Filmpassagen aufgehoben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die einstweilige Verfügung zu einer Zeit erging, als der Film noch nicht vorlag und dass einige der Szenen, die ursprünglich im Drehbuch vorhanden waren und verboten wurden, nicht oder verändert in den Film übernommen worden sind. Insofern hat sich die Firma Grünenthal GmbH im Ergebnis in größerem Umfang durchgesetzt, als dies nunmehr den Anschein hat.

‚Contergan-Film‘ – Hanseatisches Oberlandesgericht ändert Urteile des Landgerichts Hamburg weitgehend ab weiterlesen

John Cage glaubt …

„Ich glaube, die moderne Kunst hat das Leben zur Kunst gemacht, und jetzt finde ich es an der Zeit, dass man das Leben (mit Leben meine ich hier Dinge wie öffentliche Verwaltung, gesellschaftliche Regeln und Ähnliches), die Umwelt und überhaupt alles in Kunst verwandelt, anders gesagt, sich ihrer annimmt und aus einem bloßen Durcheinander etwas schafft, das unsere Existenz erleichtert, anstatt uns alle unglücklich zu machen.“ [Richard Kostelanetz, John Cage im Gespräch, Köln: DuMont, 1991, S. 163] kunstundboden.de

Wehe, wer die Hymne wässert !

Italienischer Staatsanwalt beschlagnahmt gleich 2mal das selbe Kunstwerk

GRUNDSÄTZLICHES
Auch die italienische Verfassung [hier in deutscher Übersetzung]
gewährleistet die Kunstfreiheit durch …
Artikel 33: Kunst und Wissenschaft sind frei und können frei gelehrt werden.
Gleichermaßen verbindet die Verfassung durch …
Artikel 2: Die Republik anerkennt und gewährleistet die unverletzlichen Rechte des Menschen sowohl als Einzelperson, als auch innerhalb der gesellschaftlichen Gruppen, in denen sich seine Persönlichkeit entfaltet.
… auch mit den Menschenrechten und damit mit den darin erweiterten Garantien für die Kunst.

FALLSTUDIE
Aber der Reihe nach. Das italienische Künstlerduo goldiechiari, bestehend aus Sara Goldschmied [1975] und Eleonora Chiari [1971] wurde im Rahmen der Gruppenausstellung Group Therapy vom Bozener Museion und seiner Kuratorin Letizia Ragaglia zur Präsentation ihrer Arbeit ‚Confine immaginato‘ eingeladen. Bestandteil der Installation ist ein Zusammenschnitt unterschiedlicher Audiospuren, was zunächst einmal noch nichts Besonderes ist.
Hier aber handelt es sich nach Auskunft der Künstlerinnen um Spülgeräusche von etwa 16 unterschiedlichen Toiletten sowie um die Klänge, die Autorennsport-Fans spätestens seit Michael Schumachers zahlreichen Siegen für das italienische Ferrari-Team vertraut sind. Die Melodie des Inno di Mameli, auch Fratelli d’Italia [zu deutsch: Brüder Italiens] genannten Liedes, welches 1847 der Feder des damals 20-jährigen Freiheitskämpfers Goffredo Mameli entsprang, wenig später von Michele Novaro vertont wurde und fortan als Kampflied der Freiheitskämpfer gegen das österreichische Kaisertum diente, wurde von den Künstlerinnen elektronisch erzeugt den Wassergeräuschen beigemischt.

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Wehe, wer die Hymne wässert ! weiterlesen

Human Rights – Artikel 27

Artikel 27
1. Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.
2. Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Vereinte Nationen, Generalversammlung 10. Dezember 1948 Resolution 217 A (III)

Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Tag der Deutschen Einheit 2006

… Ich habe die Erfahrung gemacht, dass manche beim Recht, frei ihre Meinung zu sagen oder zu schreiben, eine unnötige Schere im Kopf haben, dass gleichsam die weisse Fahne gehisst wird, bevor auch nur irgendetwas zu passieren droht. Wie anders ist denn die entscheidung um die Absetzung der Mozart-Oper in Berlin zu werten? Über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Es gibt in Deutschland auch kein Verbot, sich verletzt zu fühlen. Man muss auch nicht in eine Oper gehen. Aber über die Freiheit der Kunst, über die Freiheit der Rede, der Presse, der Meinung, der Religion lässt sich nicht streiten. Hier kann und darf es keine Kompromisse geben.


Zur Rede der Bundeskanzlerin