…überschreibt Adrienne Goehler die von ihr kuratierte Ausstellung mit dem Untertitel „Expeditionen in Ãsthetik und Nachhaltigkeit“. Wunderbar, den (kunsthistorischen und überwunden geglaubten) Aspekt des ‚Nachahmens‘ im Titel anklingen zu lassen und mit ‚Expeditionen‘ den prozessualen, experimentellen und betriebsamen Status zu betonen; Schade, dass auch Goehler keinen Alternativbegriff zu dem vernutzten der Nachhaltigkeit gefunden hat…
Knapp 50 Künstler zeigen bis zum 10.10.2010 auf großzügigem Raum in den Uferhallen Berlin ihre künstlerischen Arbeiten und Praktiken, die im weitesten Sinne im Bereich der Ökologie angesiedelt sind, technische Erfindungen oder Politprojekte vorstellen (u.a. Jae Rhim Lees alternatives Begräbnissystem, Christoph Kellers Sonnenlicht-Reflektions-System fuer urbane, sonnenlose Räume), sich zum Klimawandel positionieren (u.a. Superflex‘ Apokalypse-Inszenierung in einem McDonald’s), ökologische Veränderungen dokumentieren (u.a. Cornelia Hesse-Honeggers Recherchen und Dokumentationen von radioaktiv verseuchten und mutierten Wanzen), partizipatorisch-aktionistisch intervenieren (u.a. Christin Lahrs 1-Cent-pro-Tag-Onlinebanking und Marx‘-Kapitaltransfer an die Bundesbank) oder alternative Handlungsansaetze anbieten (u.a. the Yes Men’s kapitalismuskritischen Neoaktivistenmethoden, Zwischenberichts ‚Berliner Schöpfung‘, einem Wasser aus der Berliner Panke, Gudrun F. Windloks Adoptionsservice für Europäer mit Bindungsängsten nach Afrika).
An drei kunsthistorische Referenzen knüpfen die Praktiken an: an Beuys‘ Anpflanzungen von 7000 Eichen „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ in kassel 1982-1987, an Gordon Matta-Clarks und Juan Downeys Frischlufttank (fresh air) aus dem jahr 1972 und an Robert Smithsons spiral jetty von 1970 in der Wüste von Utah. die 3 Arbeiten sind im Rahmen der Ausstellung als Videos zu sehen.
Die Arbeiten thematisieren, praktizieren oder problematisieren in einem breiten Gattungsspektrum Nachhaltigkeit: Installationen, Fotografien, Stellvertreter für Aktionen, Dokumentationen von Aktionen, Aktionen selbst, Videos, Zeitungen, Zeichnungen, Grafiken, Objekte, Rituale und ein Lilli Green Designshop, leider nur zu knapp auf der Webseite der Ausstellung dokumentiert und archiviert und leider den Möglichkeitsraum des Netzes gar nicht nutzend.
Als Wunderkammer in der Wunderkammer zeigt „Das Imaginarium: ein Theater für konstruierte Ökologien“ eine Miniatur-Ansammlung von Ideen aus den Bereichen Kunst, Architektur und Wissenschaft, die sich mit dem ökologischen Wandel auseinandersetzen und zum Teil schon Lösungsansätze fuer das Klimadilemma anbieten. Eine praktizierte Inter- und Transdisziplinarität zwischen dem Berliner Studio Lukas Feireiss, der Londoner Gruppe Tomorrow’s Thoughts Today und dem Puerto-Ricanischen Künstler Luis Berrios-Negron.
3 Jahre war Goehler (zwischen 2002 und 2006 selbst Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds) auf der Suche nach finanzieller Unterstützung, schlussendlich hat die Bundeskulturstiftung neben weiteren Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung oder der Berliner Senat für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz die Ausstellungspläne zur Umsetzung gebracht. Ein nun von Goehler konzipierter „Fond Ästhetik und Nachhaltigkeit“ soll vergleichbare Schwierigkeiten bei Folgeprojekten verhindern, wird doch noch immer ein Zusammenhang zwischen Kunst und Nachhaltigkeit nicht gesehen und verhindern Disziplinen-, Budget- und Ressortgrenzen übergreifende Finanzierungskonzepte.
Die Berliner Ausstellung (bis zum 10.10.2010) ist mit Filmscreenings, Gesprächsforen und Artist Talks kombiniert (Termine unter http://z-n-e.info) und wandert im Anschluss nach Dessau, Gartow, Pfaffenhofen, Neuburg an der Donau, Ingolstadt. Weitere Ausstellungsstationen sind in Verhandlung.