Alfredo Jaar wird in Berlin zum Klassiker…

3 plus 1 monografische Ausstellungen machen Alfredo Jaar nun endgültig zum Klassiker der Kunstgeschichte:

Die Ausstellung mit dem Titel „The way it is. Eine Ãsthetik des Widerstands“ gibt einen retrospektiven Überblick über 4 Jahrzehnte künstlerischer Arbeit – zeitgleich in den drei Berliner Institutionen Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK – RealismusStudio), Berlinische Galerie und Alte Nationalgalerie, gerahmt durch Vorträge und Screenings.

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Die NGBK zeigt Jaars in Chile entstandenes Frühwerk, das sich mit den gesellschaftlichen Realitäten seines Heimatlandes Chile auseinandersetzt und zwar in Form eines Widerstandes konkret gegen die Pinochet-Diktatur. Dort putschte sich am 11. September 1973 das Militär unter Führung von General Augusto Pinochet an die Macht.

Diese Station ist gekoppelt an eine Intervention speziell für Berlin, die Jaar auf Einladung des European Center for Constitutional and Human Rights e.V. zum 39. Jahrestag des Putsches gegen den drei Jahre zuvor demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende realisierte: „The Kissinger Projekt“ umfasst 13 Anzeigen in Berliner Tageszeitungen (die tagezeitung, Tagesspiegel und Berliner Zeitung), die in 7 Sprachen (deutsch, englisch, spanisch, portugiesisch, tetum, laos und kmer) auf eine Inhaftierung Henry Kissingers drängen. Bis auf deutsch werden diese Sprachen in Ländern gesprochen, in denen dem damaligen nationalen Sicherheitsberater und Aussenminister der Vereinigten Staaten eine rechtliche oder politische Beteiligung an Kriegsverbrechen vorgeworfen wird.

In der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel trifft Jaar auf das 19. jahrhundert. Hier interveniert Jaar im Liebermann- und Leibl-Saal mit 1+1+1 und Persona:

1+1+1, erstmals auf der documenta 8 in Kassel 1987 gezeigt, besteht aus 3 Leuchtkästen mit 3 sepiafarbenen Diapositiven an der Wand, motivisch scheinbar auf dem Kopf hängend. Davor sind jeweils auf dem Boden gleich große goldene Rahmen platziert, die entweder (v.l.n.r.) „nichts“ oder weitere, kleiner werdende Rahmen oder einen Spiegel rahmen.

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Die künstlerische Entscheidung, diese im bzw. in den Liebermannsaal intervenieren zu lassen, kreiert einen wunderbaren kunsthistorischen Bezug zu Liebermanns Interesse 1. für marginalisierte Sozialsujets und 2. für seine sog. Naturalismusstudien, die das Themenfeld Kunst und Wirklichkeit historisch verstärken.

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Im Lieblsaal gegenüber ist die aus dem gleichen Jahr stammende Intervention Persona platziert, bestehend aus einem sepiafarbenden Diapositiv (die Originalfotografien stammen jeweils von Steven Cagan), einem vergoldeten Rahmen, einem Leuchtkasten, die Display-Utensilien wie Abgrenzung, Hängung und Stromzufuhr sind ebenso sichtbar gehalten und klären das Thema: Was wird ganz im Sinne Wilhelm Leibls sog. Realismusmalerei (z.B. über Traditionen und Konventionen der Präsentation von Kunst) in den Rahmen der Sichtbarkeit gerückt und was fällt in das hierüber konstruierte Unsichtbare, Imaginäre oder Unbezeichnete?

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In der Berlinischen Galerie zeigt Jaar großformatige Installationen, u.a. eine Werkgruppe zum Völkermord in Ruanda 1994, bei dem in 100 Tagen etwa 1 Million (d.h. 75%) der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit getötet wurden: „Real Pictures“ von 1995 besteht aus 6 Monumenten aus insgesamt 291 geschlossenen Fotoarchiv-Schachteln, bezogen mit Siebdruck auf Leinen, mit jeweils 1 Farbfotografie. Ein Memorial, das Abbildbarkeit von Katastrophen thematisiert und uns unser Nichtwissen plastisch vor Augen führt.

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Den „Augen von Gutete Emerita“ begegnete Jaar 1994 auf einer Recherchereise nach Ruanda, Jaar schreibt eindringlich in weißer Leuchtschrift auf schwarzem Hintergrund: „I remeber her eyes. The eyes of Gutete Emerita“, jetzt tausendfach als Kleinbilddia vervielfältigt in einem schwarzen Raum auf einem Leuchttisch zum Mitnehmen.

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