Podiumsdiskussion Kunst und Urheberrecht, 17.November 2006, Akademie der Künste Berlin.
Unter dem Link http://artwarez.org/static/audio/adk.mp3 ist nun der Audio-Mitschnitt der veranstaltung zu finden, auf der die Netzkünstlerin Cornelia Sollfrank, die kuratorin Alexandra Strueven (Kuratorin artMbassy), der Philosoph Eberhard Ortland (Research Fellow des IFK Wien und der Präsident der Akademie, Künstler und Jurist Klaus Staeck, moderiert durch den Rechtsanwalt Pascal Decker diskutierten.
Zunächst unternahm Alexandra Strueven einen Kurzexkurs in die Appropriation Art der achtziger Jahre, insbesondere in das künstlerische Schaffen mike bidlos und bezog eindeutig Stellung, schöpferische Prozesse nicht durch rechtliche Risiken zu lähmen. Hierfür zitierte sie Mauricio Catelan:
„Am Ende sind wir alle Teile desselben Verdauungssystems und jeder von uns konsumiert Bilder und Ideen so, wie es ihm gefällt und spuckt sie hinterher vollständig und transformiert wieder aus.“
Eberhard Ortland wies auf die Ergebnisse des sog. Autorenspiels hin, im Rahmen dessen 1. geistige Eigentumsansprüche an Werke begründet werden, 2. Kontexte hergestellt und 3. Kontexte abgegrenzt werden. Historisch betrachtet sei heute in der rechtlichen Praxis eine zunehmende Ausdehnung des Urheberschutzes zu beobachten, der Bereich des Möglichen habe sich verengt, das möglich Monopolisierbare durch den Urheber habe sich entsprechend geweitet.
Cornelia Sollfrank eröffnete mit der Beobachtung, dass das Thema Urheberrecht ein augenscheinlich sehr emotional Aufgeladenes sei und machte hierfür primär Glaubensfragen verantwortlich: Grundsätzlichkeiten des verwendeten Kunstbegriffes und der Definition von Werk und Autorenschaft. Das Urheberrecht schätze sie im Bereich der bildenden Kunst als eher kontraproduktiv ein, daher begibt sie sich (etwa mit ihrem Net.Art-Generator) auf die Suche nach künstlerischen Erfindungen, die sie mit ihrem kreativen Schaffen gegenüber der juristischen Regelung von Eigentumsverhältnissen in einen Vorsprung versetze. Schlicht aus dem Grunde, da Juristen diese mit ihren Werkzeugen nicht greifen könnten.
Klaus Staeck, Künstler, Jurist und Hausherr in Personalunion, berichtete von seinen Erfahrungen mit dem juristischen System: Von seinen 41 juristischen Verfahren mit Streitwerten um die 300.000,- DM, die er wenn auch erfolgreich hat durchstehen müssen, von seinen Argumentationsrekursen vor Gericht auf die in Deutschland im Vergleich zur Kunstfreiheit sehr weit ausgelegte Meinungsfreiheit, von der zu beobachtenden Unsensibilität deutscher Richter, für die lediglich ein van Gogh als Kunst gilt und von der CDU-Plakatkampagne, die Staeck als höchste Form künstlerischen Infiltrierens als seine Arbeit deklarierte.
Die anschließende Diskusssion mit Publikumsbeteiligung verdeutlichte die Heterogenität und Spannweite der aktuellen Perspektiven und Positionen:
Sollfrank sah den Schwerpunkt nicht in der Änderung des Urheberechts, sondern in systeminternen Kunstdiskussionen (Was will der Markt? Was lässt er zu? Was akzeptiert der Kunstbetrieb? etc.), da letztlich auch die Gerichte wiederum auf Gutachten von Experten zurückgreifen. Ausserdem sei Rechtssicherheit eine lokale Frage, Urheberrecht würde in Asien etwas komplett Anderes bedeuten als in Europa oder Amerika. Staeck plädierte dafür, die Frage danach, ob etwas Kunst sei, offen zu halten, alles Andere wäre „Museum“. Ortland machte darauf aufmerksam, dass gesellschaftliche, unter Marktteilnehmern stattfindende Kommunikationsprozesse und eben nicht wissenschaftliche Definitionen oder künstlerische Manifeste definieren würden, was Kunst sei und was nicht. Vereinzelte Stimmen aus dem Publikum wiesen zu Recht darauf hin, dass die aktuelle Urheberechtsdiskussion an der Realität vorbeiliefe und insbsondere die digitalen und technischen Möglichkeiten übersehen werden würden.
Offizieller Ankündigungstext:
http://kunst-blog.com/show.php?exhibit=183
Besprechung auf Artnet:
http://www.artnet.de/magazine/news/huttenlauch/huttenlauch11-22-06.asp