Rippware unter den Augen von Chomeini und Chamene’i

Das Kunstprojekt „Do Fard Unterwäsche Tehran – Berlin“ der bildenden Künstlerin Anahita Razmi präsentiert im Projektraum uqbar in Berlin Wedding (Schwedenstr. 16) Ripp-Baumwollunterwäsche für Damen und Herren in verschiedenen Modellen und Bonbonfarben, monochrom und gestreift, der Firma ‚Do Fard‘, die nach Aussagen der Künstlerin seit über 50 Jahren im Großen Bazar in Teheran verkauft wird.

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Mit dem typischen Repertoire eines Kunstraumes wird in einem begrenzten Zeitraum (bis 9.8.2015), zu klassischen Galerieöffnungszeiten (Dienstag bis Samstag, 13-19h) eine limitierte Anzahl von verkaufbaren, importierten Unterhosen und Unterhemden gezeigt, die mit einer raumgroßen Fototapete des Teheraner Shops kontextualisiert werden und zu einer Rauminstallation verschmelzen. Während sich in Teheran die weissen, flachen, gelabelten Pappkartons bis unter die Decke stapeln, sind sie in Berlin mengenmäßig begrenzt und erinnern an die skulpturalen, minimalistischen Papier-Stapel (paper stacks) von Félix Gonzáles-Torres seit den 80er Jahren, die zunächst auf einem Sockel, später dann wie seine Bonbon-Schüttungen (candy-pieces) auf dem Boden lagerten und zur Mitnahme aufforderten – und damit genau wie „Do Fard“ die Themen Originalität, Reproduzierbarkeit, Prozessualität und Partizipation in den Anschauungsraum holten. Von der Wand schauen gemeinschaftlich die Porträts von Chomeini, Gründer der Islamischen Republik und geistiger Anführer der islamischen Revolution 1978-1979, und seines Nachfolger Chamene’i, seit 1989 Staatsoberhaupt des Iran, auf die Besucher hinab, die den Raum betreten oder sich in dem seitlich hängenden Spiegel, die Unterwäsche probierend, begutachten.

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Noch bevor am 14.7.2015 das Atomabkommen zwischen dem Iran, den 5 Vetostaaten des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland in Wien verkündet wurde, in dessen Folge die Wirtschaftssanktionen aufgehoben und neue Handelsbeziehungen geknüpft werden und auch noch bevor der deutsche Wirtschaftsminister Gabriel den Iran bereiste, um deutsch-iranische Wirtschaftsbeziehungen aufzunehmen, gelingt es Razmi, in dem und über das Feld der Kunst mit ihrem Ready made bereits (Geschäfts-) Beziehungen herzustellen und damit im Sinne des Kurators Nicolas Bourriaud eine „Relational Aesthetics“ zu praktizieren. Dieser hatte 1998 Relationen, Bezuege und Verbindungen in seinen theoretischen Blick genommen und zwar hinsichtlich sozialer oder wie Bourriaud ausführt „menschlicher Dimensionen“. Statt tradierter Kunstobjekte mit ihren formalen, typisierten Anforderungen oder statt eines autonomen oder privaten symbolischen Werts der Kunst behauptete Bourriaud Kunst als einen Zwischenraum („interstice“), in dem Begegnungen, Experimente und neue Lebensformen sowohl von Individuen als auch von Kollektiven möglich würden. Dieses ästhetische Konzept koppelte Bourriaud an die Existenz einer globalen urbanen Kultur und ist bereits im Label wie im Titel des Projekts von Razmi aufgenommen: „Do Fard“ heisst in deutscher Übersetzung: Zwei Individuen.

Nach Bourriaud würden relationale Kunstpraktiken einen sozialen Zwischenraum herstellen, Modi der Geselligkeit und des Beisammenseins erzeugen, eine spezifische Sozialität in Gang setzen. Allein das Format der Ausstellungen würde Freiräume kreieren und zu einem Umgang ermutigen, der in Differenz stünde zum Alltag und dessen Rhythmen (hier wären restriktive Formen des Umgangs beobachtbar, eine graduelle Reduzierung des relationalen Raumes, eine gemanagte Öffentlichkeit durch ökonomische Regeln). Eine Ausstellung aber könne, so Bourriaud, eine besondere „domain of exchanges“ generieren. „Do Fard“ ist daher auch nicht von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, sondern von der Kulturverwaltung des Berliner Senats gefördert.

Medial ergänzt wird der „Pop-Up Shop“ von einer Webseite mit dokumentarischen Fotografien des Teheraner Shops, einer Facebookseite mit ergänzenden Links zu den aktuellen Ereignissen um den Atomdeal in Wien und der Neuentdeckung des Iran als Wirtschaftspartner, einem Online-Shop und einer Plakataktion im öffentlichen Raum.

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