W. J. T. Mitchell: The Arts of Occupation

Im Vorfeld der Konferenz F(r)ictions of Art des Graduiertenkolleg InterArt der FU-Berlin hielt W. J. T. Mitchell (US-amerikanischer Kunsthistoriker an der University of Chicago, Herausgeber der Zeitschrift Critical Inquiry und Autor von October) am 24.6.2015 einen Vortrag mit dem Titel „The Arts of Occupation. Image, Space, Revolution“.

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Von den Gastgebern vorgestellt als einer der führenden Bildwissenschaftler, der sein Material der visuellen Kultur, den politischen Ereignissen, dem TV und Film entnimmt und auf ikonografischen Gehalt untersucht und dabei das Aktions- bzw. Handlungspotential von Bildern (they act!) herausarbeitet, führte Mitchell schon in seiner letzten Publikation zu „Occupy. Three Inquiries in Disobedience“ (2013) aus. Hier sind ethnografische (Michael Taussig), politik- und sozialwissenschaftliche (Bernard E. Harcourt) und bild- und raumwissenschaftliche (Mitchell) Perspektiven auf die Occupy-Bewegung versammelt, die ihren Fokus auf die Themen Ungehorsam und Besetzung richten.

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Untersuchungsgegenstand ist wie im Titel angekündigt die Occupy-Bewegung, ausgehend von Occupy Wall Street im Zucotti-Park in New York City, über Occupy Chicago, Occupy Global und Taksim Square (2013) bis hin zu den jüngsten Aktivitäten von Occupy Hong Kong, deren Figur der Besetzung Zucotti auch mit Tahrir, d.h. die Occupy-Bewegung mit dem Arabischen Frühling verbindet. Gemeinsam ist allen: kein Repräsentant, keine Hierachien, Selbstorganisation, keine Regeln im Zusammensein, Performierung eines gemeinsamen Sprechens und Handelns, ziviler (kein politischer) Ungehorsam, Dekonstruktion staatlicher Mechanismen, freie Rede, Ort der Gemeinschaft. Die Funktion der sog. sozialen Medien dabei war, so Mitchell, Menschen in eine face-to-face-Situation, d.h. in einen gemeinsamen Raum zusammenzubringen.

Als Mentorin seiner Überlegungen verwies Mitchell auf Hannah Arendt und zitierte aus „On Revolution“ (1963) und „The Human Condition“ (1958).

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Im Gegensatz zur Revolution und damit auch zum Arabischen Frühling würde bei Occupy keine Änderung des Regime in Angriff genommen werden, Occupy wolle nicht die Ordnung, eher den Diskurs ändern: „a new kind of dance“. Revolution sollte, so Mitchell, nicht als Event, sondern besser als Sprache zu betrachten sein.

Im Kontext der Occupy-Ereignisse seit 2011 listete Mitchell noch einmal die grundsätzlichen Fragen der Bildwissenschaften:
Was leisten Bilder? Was tun sie?
Welche Räume eröffnen sie?
Warum eröffnen sie so diverse Plätze?
Welche Korrelationen existieren zwischen den zum Einsatz gebrachten Bildern und den Ereignissen?
Wie können Räume in Poetry umgewandelt werden?
und diskutierte im Folgenden die Ikonografie der Occupy-Bewegung, genauer des „Ikonoprotests“ und zwar in Form der Guy Fawkes Masken von Anonymous, von Grafiken in russischer Revolutionsikonografie, von eingesetzten Bilddokumenten früherer Ereignisse an Ort und Stelle und damit eine Doppelung des Ortes, von Selbstverpflichtungen z.B. auf Waffenlosigkeit, von Simulationen medialer Präsenz mittels Mikrofon und Kamera aus Pappe…

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Innerhalb der Occupy-Bewegung gab es so einen breiten Output an Images, Slogans, Covers, Plakaten etc. und deren inhaltliche, motivische und ikonografische Anbindung, z.B. an die Kolonialgeschichte der Vereinigten Staaten, den Amerikanischen Bürgerkrieg oder die Free Speech Movement, gegründet 1964 an der University of California, Berkeley.

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Interessant ist Mitchells These, dass jedes Regime sein Monument hätte; das der Demokratie sei der „empty space“, der leere Raum. Hier wäre eine inhaltliche und ideologische Querverbindung zum white cube, dem scheinbar neutralen Raum und Symbol der Moderne spannend gewesen.

Als Beispiele für „The Arts of Protest“ führte Mitchell die Aktivitäten des Protesters Brian Haw, die Fotografien von Mark Wallinger („State Britain“), Tania Bruguera (The Hannah Arendt International Institute for Artivism in Havanna, Cuba) und Theaster Gates („community producer“) an.

Auf die Frage, wie die Rückführung der Kunst etwa anhand von Mark Wallingers rückbindender Fotoarbeit zu Brian Haw in das von Occupy kritisierte kapitalistische System zu rechtfertigen sei, wies Mitchell auf die Erinnerungs- und Archivierungsdimension von Kunst hin – ein leider recht schmaler Kunstbegriff, auf ontologische und substantielle Aspekte reduziert. Und auch seine finalen Überheblichkeiten schmälerten die Souveränität: An die Ägypter hinsichtlich ihrer Wahl zunächst der Muslimbrüder unter Mohammed Mursi, dann des Militärdiktators as-Sisi gerichtet, zitierte Mitchell Slavoj Zizek: Don’t act, think! Und an die Ukrainer gerichtet in Ableitung: Erst nachdenken, dann einen „change“ wünschen.

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