Die Schlingensief-Maschine

Wenn es noch je Zweifel gab, ob und wie ästhetische Moderne und Kapitalismus miteinander strukturell gekoppelt sind, die Ausstellung „Christoph Schlingensief“ liefert hierfür die Anschauung.

Den drei Kuratoren der Ausstellung in den Kunst-Werken Berlin, Klaus Biesenbach (Mitgründer der Kunst-Werke, jetzt MoMA PS1, New York), Anna-Catharina Gebbers (freie Kuratorin Berlin) und Susanne Pfeffer (ehemalig Kunst-Werke, jetzt Fridericianum Kassel), ist es gelungen, aus dem opulenten und situationistischen Gesamtwerk Schlingensiefs eine Auswahl ausstellbarer Objekte zu extrahieren.

Die monographische Werkschau posthum, die strikt auf die Bedürfnisse einer Ausstellbarkeit, Präsentierbarkeit, Sammelbarkeit und Handelbarkeit ausgerichtet ist, ist als eine Nachlassschau konzipiert, die sich voll und ganz auf die Marke Schlingensief konzentriert. Trotz und obwohl jede, für die Ausstellung ausgewählte Arbeit belegt, dass mit einer Vielzahl von Kollegen Teamarbeit stattgefunden hat und noch immer stattfindet und auch die Rezipienten stets Co-Produzenten sind, wird eine modernistische Helden- bzw. Geniegeschichte erzählt, in deren Zentrum Christoph Schlingensief – so auch der Titel der Ausstellung – steht. Auf die Präsentation von Kooperationen wie z.B. mit Alexander Kluge oder Heavy Girls Lighten Wien wurde zugunsten dieses Konzepts ganz verzichtet.

Die Deterritorialisierung und Dezentrierungen, die Fragmentierungen und Entgrenzungen, die allein im Prozesshaften, Experimentellen und Umschreibbaren von Schlingensiefs Produktionen stattfinden und auf die auch der Ankündigungstext der Kunst-Werke noch einmal explizit aufmerksam macht, sind zurückgenommen bis maximal reduziert, auch, indem statt einer archivischen, kontextuellen oder dokumentarischen Präsentation seiner künstlerischen Praxis lediglich das modernistische Werk als attraktives und begehrliches Endprodukt gezeigt wird, das wiederum klaren Medialitätsgrenzen folgend in den einzelnen Etagen des Hauses präsentiert wird.

Lediglich das „Operndorf Afrika“ in Burkina Faso (seit 2008, Grundsteinlegung 2010) wird in seinem prozessualen und offenen Charakter ausgestellt, eine Timeline der Ereignisse belegt den experimentellen und noch immer unkaren Fort- und Ausgang der Arbeit.

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Und der Animatograph (2005) im Saal der Kunst-Werke, der von einem Zitat der Pfahl-Sitzer (von Venedig, Kathmandu und Frankfurt 2003) umringt ist, verdeutlicht über Bewegung und Projektion, dass „alle“ Teil der Welt(dreh)bühne sind.

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Die opulente Show wurde ganz offenbar mit einem beachtlichen Budget von der Kulturstiftung des Bundes und, wie es heisst „mit freundlicher Unterstützung von Volkswagen, der Rudolf Augstein Stiftung und der KW-Freunde“ ermöglicht; diese Vorlage hätte sich Schlingensief zu Lebzeiten sicher nicht für eine exklusive Aktion entgehen lassen.

Die Ausstellung zeigt einen Werküberblick
seiner Filme (u.a. Das deutsche Kettensägermassaker 1990, Terror 2000, Intensivstation Deutschland, 1991/92),
seiner Theaterinszierungen,
TV-Formate (u.a. Freak-Stars 3000, 2002, U-3000, 2000, Talk 2000 von 1997),
seiner Aktionen (u.a. Chance 2000-Partei, 1998, Aktion 18, Tötet Politik von 2002),
seiner Wagner-Inszenierungen in Baureyth (Parsifal, 2004-07) und Manaus (Der Fliegende Holländer, 2007).
Im Innenhof dann seine „Church of Fear“ (2003) und ausufernd in die Auguststraße die „Ausländer-Raus“-Container der Wiener Verwendung 2000 „Bitte liebt Österreich“, wie sie jüngst im Haus der Kulturen der Welt zu sehen waren.

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In Fortsetzung der Übergabe des Christoph-Schlingensief-Archivs mit Fotos, Korrespondenzen und Aktionsmaterial an die Berliner Akademie der Künste 2012 und der Präsentation des Operndorfes auf der art berlin contemporary im September 2013 scheint mit der Ausstellung in den Kunst-Werken, wo Schlingensief um 2000 ein Künstleratelier bewohnte, der nächste Folgeschritt auf dem Weg zum Kunstspekulationsobjekt CS gemacht worden zu sein: Die Ausstellung wandert im Frühjahr nach New York an Biesenbachs MoMA PS1 und treibt die Internationalisierung Schlingensiefs weiter. Unaufhörlich proklamiert die Schau Schlingensiefs „Hotness“ im Kunstmarkt und fordert Museen, Sammler und Galeristen auf, mit ihren Mitteln am Marktwerk Schlingensiefs zu schrauben. Den Kunst-Werken bzw. den drei Kuratoren ist ihr Teil sehr gut gelungen. Das Theatrale, Inszenatorische und Performative wird weniger als Ausstellungsverhinderung als vielmehr als medialer und materialer Dramatisierungsfaktor aufgenommen und verstärkt.

Bis 19.1.2014 in den Kunst-Werken, Berlin, Auguststr. 69

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