Zwei Schwergewichte…

Gleich mit zwei schwergewichtigen Ausstellungen setzt Okwui Enwezor seine Direktorenschaft am Münchner Haus der Kunst fort:

Bild-Gegen-Bild (noch bis 16.9.2012)

Und punktgenau zum 75. Jahrestag der Eröffnung:
Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1937-1955 (noch bis 13.1.2013),
hieran angebunden das Symposium 75/20 (9./10.6.2012) unter Beteiligung illustrer Gäste wie Mike Bal, Hans Haacke, Alfredo Jarr, W.J.T. Michell oder Georges Didi-Huberman (Videos der Tagung hier)

Bild-Gegen-Bild untersucht die Interrelation von Bild und Krieg in dem Zeitraum nach 1990/1991, wie sie Mitchell 1994 in seiner Picture Theory hinsichtlich veränderter Bildpolitiken seit 1991 diagnostizierte. Mitchell verdeutlicht seine Bildtheorien eindrucksvoll mittels der Gegenüberstellung zweier medialer Ereignisse im Jahr 1991. Dieses Jahr startete mit dem kriegspopularisierenden CNN-Spektakel von ‚Desert-Storm‘ im Irak und endete mit einem kinematografischen Re-enactment der Ermordung Kennedys, dem Blockbuster ‚JFK‘ von Oliver Stone: 2 Ereignisse, die Mitchell als „America’s Culture Wars“ bezeichnet: „In short, for Americans who watch television news, 1991, was a year of war and publicity, not just the publicizing or representing of war, but the waging of war by means of publicity and representation.“

Mitchell wird in seinem Text diese beiden Ereignisse als turning points sowohl in der amerikanischen Geschichte als auch in der Geschichte des amerikanischen TV’s bezeichnen, mittels derer er zwei melodramatische Szenarien, die das amerikanische Publikum 1991 gefangennahmen, zu vergleichen in der Lage ist und den Einfluss der visuellen Repräsenation auf die öffentlichen Diskurse analysiert:
Während die körperliche, leibliche und intime Bebilderung in Stone’s JFK den Rezipienten direkt in Anspruch nahm, waren die CNN-Bilder von Desert Storm abstrakt und ferngesteuert wie in einem Videogame und damit entscheidendes Material in der narrativen Konstruktion des Krieges.

Dass dies auch anders hätte ausfallen können, verdeutlicht die Bild-Präsentation des Vietnam-Krieges zwei Jahrzehnte zuvor: Hier dominierten noch die entstellten und verstümmelten Körper, die physische Realität der Kämpfe, die Massaker und Folgen der Angriffe.
Diese Berichterstattung allerdings hätte, so die Einsicht militärischer Kreise, dazu geführt, dass der Vietnamkrieg die Unterstützung und Akzeptanz der amerikanischen Bevölkerung verloren hätte. Die Folgen sind bekannt.
Die Konsequenz dieser Einsicht, so Mitchell, sei gewesen, den menschlichen Körper im Rahmen der Repräsentation des Irakkrieges aus dem Bild zu löschen: „This was a war without bodies or tears for the American public.“ (402) Mitchell spricht von einer Zensur der Bilder.

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12 Künstler, darunter Harun Farocki, Hans-Peter Feldmann, Sean Snyder, Jasmila Zbanic und John Smith untersuchen nun im Haus der Kunst mediale, operative, strukturelle, narrative, ästhetische Spezifika von Bildern. Schade, dass die Ausstellung im Bereich der Bildwirkmacht kriegerischer Handlungen verbleibt.

Geschichten im Konflikt nimmt eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Hauses der Kunst in den Jahren 1937 bis 1955 vor: Das Haus der Kunst wurde von 1933 bis 1937 nach Plänen von Hitlers bevorzugtem Architekten Paul Ludwig Troost als Haus der Deutschen Kunst errichtet. Hier fand 1937 die Ausstellung Entartete Kunst statt, die 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen vor 2 Millionen Besuchern diskredierte. Später sollte die Ausstellung dann als Wanderausstellung durch die Großstädte des Reiches ziehen: Berlin, Wien, Salzburg, Hamburg, Liepzig, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stettin, Halle.

Die Geschichte, die dann mit Ausstellungen wie „Blaue Reiter“ (1949), „Die Maler am Bauhaus“ (1950), „Max Beckmann“ (1952), Kandisky und Paul Klee (1954) und Picasso (1955) die Moderne rehabilitiert, wird vom Schweizer Konzeptkuenstler Christian Philipp Müller in 6 Kapiteln erzählt:
Camouflagenetz an der Aussenfassade, Intervention im Mittelbau und Freilegung der Balustrade der Nordgalerie, Sound- und Bildinstallation im Treppenhaus, Installation zum fetisch Haus der Kunst, Plastiken und Gemälde zwischen 1937 und 1955 im Haus der Kunst, u.a. Lehmbrucks Grosse Knieende, dem Sinnbild der freien Kunst Europas, Film- und Foto-Installation der Beschlagnahmung durch die amerikanische Militärregierung mit einem Officers Club.
Eine Geschichte zwischen 1937 und 1955, die mit der Grundstückslegung des Haus der Kunst startet, historische Bild- und Textdokumente mit ehemals als entartet stigmatisierter Kunst und Ankäufen Hitlers in Rauminstallationen verwebt und verdichtet, dabei mit klugem Bild-, Blick- und Materialeinsatz agiert.

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