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Realpolitik als Theater – Theater als Realpolitik

Zu Elfriede Jelineks Umgang mit Trump und Falk Richters Inszenierung am Hamburger Schauspielhaus.

Auch nach 15 Monaten Donald Trump ist die Frage, wie mit ihm umzugehen ist, noch immer nicht geklärt. HistorikerInnen, PolitikwissenschaftlerInnen und PhilosophInnen beissen sich die Zähne aus, Trumps Wahlerfolg entweder in eine Verbindung mit dem Brexit, den Erfolgen des FN in Frankreich, der FPÖ in Österreich und der AfD in Deutschland oder aber mit dem Erstarken der Kakistokratie (Masha Gessen) bzw. von Tyranneien (Timothy Snyder: On Tyranny. Twenty Lessons from the 20th Century, 2017) zu bringen. Oder, eine nächste Variante: die Gründe werden in identitätspolitischem Feminismus, Antirassismus, Multikulturalismus und LGBTQ und ihren Niederschlägen in Form von Gendertheorie, Postmigration und Political Correctness gesehen (Mark Lilla, u. a. im New Yorker). Oder, ein weiterer Umgang: die Ereignisse von 1968 werden auf die Anwesenheit von Brutalität und Tragödie (Morde an Martin Luther King und Robert F. Kennedy) untersucht, um mit Trump nun die historische Linie eines Backlachs seit 1968 zu zeichnen. Und noch eine Erzählung: Clinton (sowohl Bill als auch Hillary) und Obama werden als Repräsentanten eines progressiven Neoliberalismus gedeutet, deren Bündnis von Emanzipationsbewegungen mit dem globalen Finanzkapitalismus (Wall Street, Silicon Valley, Medien- und Kulturindustrie) für den Wahlerfolg Trumps 2016 verantwortlich sei (Nancy Fraser: Vom Regen des progressiven Neoliberalismus in die Traufe des reaktionären Populismus, 2017). Und so wird Trump wahlweise auch als Geburtshelfer von #MeToo (Hedwig Richter), des Populismus (Bernd Stegemann) oder einer neuen erstarkten Linken (Eva Illouz) gedeutet.


© Arno Declair.

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Am Königsweg als Scheideweg. Zu Elfriede Jelineks Umgang mit Trump …

…und Stephan Kimmigs Inszenierung am Deutschen Theater Berlin.

Die Augäpfel entfernen, die Ohren durchstechen, das Gehirn absaugen und die Zunge rausschneiden lassen – kommt man dann besser durch dieses Leben?, fragt Elfriede Jelinek in ihren jüngsten Textkaskaden, mit denen sie, so lautet der Gründungsmythos, am Abend der letzten US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2016 begonnen habe. „Am Königsweg“ ist das Stück der Stunde, am Hamburger Schauspielhaus von Falk Richter, am Theater Heidelberg von Mirja Biel, am Frankfurter Schauspiel von Milos Lolic , am Schauspielhaus Zürich von Stefan Pucher, am Theater an der Ruhr von Philipp Preuss und nun am Deutschen Theater Berlin von Stephan Kimmig inszeniert.

Während die Medien noch Trumps Gezwitscher auf den Leim gehen und die Politik noch auf der Suche nach einem Umgang mit Trumps distributiver Verhandlungsführung einer Win-lose-Situation sucht, nähert sich Jelinek mit ihren sog. Textflächen (eine Bezeichnung, die Jelineks Durchlöcherungen und Wucherungen unterschlägt) dem Phänomen Trump, ohne ihn auch nur ein einziges Mal beim Namen zu nennen. „Feng Shui für den Kopf“ bewertet sie ihre Total-OP, um im Anschluss weder sehen noch hören, weder denken noch sprechen zu können/zu müssen, und das heißt für sie, um einen gesunden, fließenden, stimmigen Umgang mit der aktuellen Situation, mit dem Overkill an Spam, Fake News, Gossip und Bubbles, mit den Absurditäten, Obszönitäten und Banalitäten zu finden. In bekannter kompositorischer Schreibweise findet Jelinek ihren gedanklichen und sprachlichen Umgang, kombiniert Irrwitz, Komik und Trash mit klassischer Philologie und Gender Forschung, nimmt hierin Verschränkungen von Literatur, Musik, Theater, Popkultur und Alltagspraxis vor und verkettet die Themenkomplexe Antike Mythen (hier: Medea, Ödipus, Elektra), Rechtspopulismus, Kapitalismus, Globalisierung, Wahlen, Schuldenpraxis, Geschlecht, Gewalt und Führerbegeisterung.


Auf dem Bild: Linn Reusse, Anja Schneider, © Arno Declair.

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