Mit dem echten Martin Warnke auf Tour …

Am 28.3.2018 lud die Denkerei um Bazon Brock zu einem Architekturspaziergang mit Martin Warnke ein. Warnke, der Kunstgeschichte auch in Berlin studierte, 1963 von Hans Kauffmann an der FU mit der Dissertation „Kommentare zu Rubens“ promoviert wurde und im Anschluss ein Volontariat an den Berliner Museen leistete, hatte zur damaligen Zeit in Berlin keinen „Impuls, Architektur zu schauen“. Das wolle er nun nachholen und zu seiner These ausführen, dass entgegen den architektonischen Entwicklungen in Hamburg, Frankfurt und München in der Berliner Baugeschichte ein Grundthema auszumachen sei, dass nämlich, wo immer sich ein 20er Jahre Bau befände, davor, daneben oder gegenüber in den 30er Jahren ein Gegenbau gesetzt worden wäre.

Erste Station des Spaziergangs durch Berlins bauliche Oppositionen war das expressionistische „Haus des Rundfunks“ an der Masurenallee, das von Hans Pelzig entworfen und zwischen 1929 bis 1931 gebaut wurde, und zwar in unmittelbare Nähe des Berliner Funkturms, der wenige Jahre zuvor (1924-1926) als Stahlfachwerkturm errichtet wurde. Warnke interessierte weniger der Grundriss des an zwei Seiten abgerundeten Dreiecks, sondern, dass hier bauarchitektonisch und kunstpolitisch vom Kleinformatigen und Kleinteiligen her gedacht würde, das sich dann in einem Ganzen formiere. Treppengeländer, Klinker, Pilaster, Pfeiler und Fassade seien auf Details konzentriert und würden für den Betrachter bzw. Besucher einen angenehmen Eindruck vermitteln.

In der Achse gegenüber, ebenfalls an der Masurenallee, wurde 1936/37 die klassizistische Haupthalle der „Messe Berlin“ platziert. Seine strenge Pfeilerstruktur, seine glatten Natursteinfassaden, die aufragende Mittelhalle, das Blockhafte und Monumentale sollte, so Warnke, die Aufmerksamkeit vom „Haus des Rundfunks“ in Richtung „Messe Berlin“ verlagern, so dass dieser Gegenbau, einer der frühesten Bauten des Nationalsozialismus, die expressionistische Stärke der 20er Jahre widerlegen konnte.

Gleiches Muster beobachtete Warnke weniger Hundert Meter weiter: Ecke Kaiserdamm/Messedamm steht am Kaiserdamm 25 ein Appartementhaus, das 1928/29 von Hans Scharoun entworfen wurde. Der weiße, sechs-geschossige Putzbau im Stil der Neuen Sachlichkeit, mit Flachdach und fensterrahmenden L-Elementen war/ist mit kleinen Appartments für Singles ausgestattet. Seine sensiblen Formen sind vom Bauhaus inspiriert, seine aufgelockerte Fassade mit Einzelstücken erinnert an das Spätwerk von Mondrian, in dem Linien und Flächen Bewegung und Rhythmus herstellen. Schräg gegenüber wurde Ende der 20er Jahre nach Plänen der Architekten Jean Krämer und Otto Rudolf Salvisberg eine Wohnanlage zwischen Königin-Elisabeth-, Knobesldorff-, Soor- und Fredericiastr. in Berlin-Westend errichtet, die ursprünglich für Mitarbeiter der BVG gebaut wurde. Warnke startete hier an den zwei Skulpturen „Arbeit“ und „Heim“ des österreichischen Bildhauers Josef Thorak, die sich an einer architektonischen Torsituation  gegenüber stehen und einen Eingangspathos herstellen. Dieser frühe Entwurf einer Siedlungsarchitektur hätte in unmittelbarer Nähe zu Scharouns erstem Bau in Berlin das Bauhaus in sein Gegenteil verkehrt, die Lockerheit wäre verloren gegangen, ein zwanghaft Repräsentatives scheine auf, ein Antibauhaus sei gebaut worden, nichts dürfte rahmenlos sein. Mit den Insignien von Speers Architektur sei dieses Ensemble jedoch noch nicht ausgestattet.

 

Warnke verweist abschließend auf den Sozialbau von Bruno Taut, auf Onkel Toms Hütte, von 1926 bis 1931 gebaut und vom Neuen Bauen geprägt, demgegenüber die Waldsiedlung Krumme Lanke, die zwischen 1937 und 1939 als „SS Kameradschaftssiedlung“ errichtet wurde. Beide Siedlungen sind in Berlin-Zehlendorf gebaut und begründeten in ihren Gegenpositionen den sogenannten „Zehlendorfer Dächerstreit“.

Die Exkursion mit Martin Warnke wird im Juni 2018 fortgesetzt.

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